Seit vielen Generationen ist das Eisstockschießen eine beliebte Freizeitbeschäftigung für die ganze Familie. Immer mehr Schützen greifen dabei wieder zu Stöcken aus Holz. Wagnermeister Herbert Junger ist einer der letzten seiner Zunft, der sie in traditioneller Handarbeit herstellt.
Unter lautem Gejohle schlittert der Eisstock weit über den zu gefrorenen Waldweiher. Am Ende der Bahn kracht er zielgenau in die Traube, die sich um einen kleinen Holzklotz gebildet hat. »Passt!« Herbert Junger ist sichtlich zufrieden mit dem Schuss – und mit seinem alten »Birnstingl« auch. Einige seiner Freunde und Bekannten, mit denen er sich im Winter so oft wie möglich auf dem glatten Eis trifft, spielen ebenfalls noch mit den traditionellen Holzstöcken, die er ihnen in Handarbeit angefertigt hat. Herbert Junger ist gelernter Wagner – ein aussterbender Beruf, der in Deutschland auch oft Stellmacher genannt wird – und einer der Letzten seiner Zunft. In seiner Werkstatt im Salzburger Land (Wagnerweg 2, A5152 nußdorf am Haunsberg, Tel. 0043/6276/225), in der er neben Eisstöcken auch Schlitten, Leiterwagen und andere Holzgeräte herstellt, fühlt man sich in eine längst vergangene Zeit zurückversetzt. In den Regalen stapeln sich verstaubte Werkzeuge, an der Wand hängt ein Kalender aus dem vorigen Jahrhundert und die betagten Maschinen werden ausschließlich noch mit der Hand bedient.
Birnen Holz für den Stock
Auch auf der gewaltigen Hobelbank haben über 60 Jahre Handwerk ihre Spuren hinterlassen. »Dieses Prachtexemplar habe ich mir selbst gebaut, als ich 1952 die Meisterprüfung abgelegt und meine eigene Werkstatt eröffnet hatte«, erzählt Herbert Junger, während er drei Vierkanthölzer zusammenleimt und zum Trocknen in Schraubzwingen einspannt. Dieser – noch unförmige – Quader bildet das Herzstück des Eisstocks. Er ist aus Birnenholz, deshalb wird das Gerät oft »Birnstingl« genannt. Es ist besonders zäh und kompakt, denn schließlich muss der Stock ziemlich viel aushalten, wenn die Sportgeräte beim hitzigen Einsatz auf dem Eis mit hoher Geschwindigkeit aufeinanderprallen. Früher wuchsen auf jedem Bauernhof Birnbäume, heute dagegen ist es nicht mehr ganz so einfach, dieses Holz zu bekommen. Die richtige Härte erhält es erst durch eine lange Lagerung: Acht bis zehn Jahre lässt Herbert Junger seine Schätze in der Holzhütte zwischen Wohnhaus und Werkstatt »reifen«, bevor er sie verarbeitet.


5,5 Kilogramm schwer
Aus den geleimten Vierkanthölzern schneidet der Handwerker in einem nächsten Schritt mit der Bandsäge den runden Rohling aus und bringt ihn an der Drechselbank in Form. Eisstöcke für Männer haben einen Durchmesser von 28 bis 30 Zentimetern und wiegen 4,5 bis 5,5 Kilogramm. Die Geräte für Damen sind etwas kleiner und leichter, die für Kinder nur tellergroß. Noch vor ein paar Jahren schien es, als ob die modernen, wettkampftauglichen Eisstöcke aus Kunststoff und Metall die guten alten Holzgeräte für immer verdrängen würden. Inzwischen halten aber viele Spieler wieder lieber einen individuell gefertigten Stock in der Hand. Im Nachbardorf wurde in der Zwischenzeit schon das Feuer angeheizt. Auch Ferdinand Sax ist einer der Letzten seiner Zunft: Es gibt heute kaum noch einen Schmied, der die Eisenringe für die Holzstöcke in Handarbeit anfertigt. Sobald das Feuer richtig brennt, hängt er den Reifen, den er aus einem Flacheisen gebogen hat, in die lodernden Flammen. Wenn das Metall rundherum gleichmäßig eine Temperatur von etwa 700 Grad erreicht hat, wird der glühende Ring auf das Holz aufgezogen.
Anschließend bekommt der Korpus an der Drechselbank der Wagnerei nicht nur das charakteristische Rillenprofil, auch der Boden wird bearbeitet. »Die Lauffläche muss richtig schön glatt sein und in der Mitte etwas hohl – aber nicht zu viel –, dann hält der Eisstock hervorragend die Spur«, erklärt der Wagnermeister. Ebenso viel Fertigkeit erfordert der Bau des Griffs: Mithilfe einer abgenutzten Schablone, die sich seit Jahrzehnten bewährt hat, formt ihn Herbert Junger aus Eschenholz: »Der Zapfen muss oben schön breit sein, damit er gut in der Hand liegt und mit minimalem Kraftaufwand festgehalten werden kann. So wird der Stock richtig in den Arm ›hineingezogen‹ und man konzentriert sich beim Schwung viel besser aufs Zielen.« Zum Schluss wird der Eisstock so oft in heißen Leinölfirnis eingetaucht, bis das Holz nichts mehr aufnehmen kann. Das schützt das Material vor Nässe.
Familienpass im Ilztal
Eisstockschießen ist seit Generationen ein wunderbares Wintervergnügen und Natur Erlebnis für die ganze Familie. Auch in der Nähe von Passau werden bei entsprechender Witterung auf den zugefrorenen Gewässern – etwa im Ilztal und im Dreiburgenland – Flächen fürs Schlittschuhlaufen und Eisstockschießen geräumt. Zum Transport der Ausrüstung hat sich ein Schlitten bewährt, der obendrein Decken und Thermoskannen mit heißen Getränken aufs Eis transportiert. So perfekt ausgerüstet, verspricht der Tag in der verzaubert glitzernden Winterlandschaft besonders viel Spaß!

Bildnachweis: Peter Raider