FRAGEN ZUM WOLF …
Der Wolf ist in seine alten Lebensräume zurück gekehrt. Nach Angaben der »Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf« (DBBW) leben in Deutschland Ende 2022 161 Wolfsrudel, 43 Paare und 21 Einzeltiere, Letztere meist auf Revier- und Partnersuche.
Klappt das, dann schaut die Wölfin – oft schon vor der Paarung – nach geeigneten Höhlen als Geburtsort und Schutzraum für die Welpen. Das kann eine Fels- oder Erdhöhle sein, ein hohler Baum oder auch die verlassene Höhle eines anderen Wildtiers. Oder die Wölfin gräbt selbst eine Wurfhöhle, in die sie sich kurz vor der Geburt zurückzieht. Hier bringt sie Anfang Mai ihre Welpen zur Welt, säugt sie, wärmt sie, während sie die Höhle drei Tage lang nicht verlässt. In den ersten zwei Wochen sind die Kleinen mit Trinken und Schlafen beschäftigt. Um die vierte Lebenswoche wagen sie sich zum ersten Mal aus der Höhle und lernen das Rudel kennen. Bei der Welpen-Aufzucht helfen alle Familienmitglieder mit. Wenn das Rudel auf Jagd ist, bleibt mindestens ein Familienmitglied bei den Kleinen. Knapp zehn Wochen nach der Geburt ziehen die Welpen auf einen sogenannten »Rendezvous-Platz« um, der neben Rückzugsmöglichkeiten auch jede Menge Freiraum für die ersten Jagdversuche bietet, fürs spielerische Beißen und Kämpfen. Hier werden soziale Verhaltensweisen eingeübt, die Lust am Toben wird freigelassen, es wird sanft und wild gekuschelt. Jetzt nehmen die Kleinen auch mehr feste Nahrung zu sich, die die Wolfsfamilie zum Rendezvous-Platz bringt, und entwöhnen sich der Muttermilch. Mit drei Monaten beginnen die Welpen das Rudel zu begleiten und die Umgebung zu erforschen. Ihren Rendezvous-Platz verlassen die Kleinen mit etwa acht Monaten. Mit einem Jahr sind sie annähernd so groß wie die erwachsenen Wölfe. Wenn sie mit ca. 22 Monaten geschlechtsreif werden, trennen sich die jungen Wölfe üblicherweise von ihrer Familie, machen sich auf die Suche nach einem Partner und einem eigenen Revier. Und gründen eine neue Familie.
… Antworten zum Leben
Das Revier eines Wolfsrudels ist – je nach Nahrungsangebot – 150 bis 300 Quadratkilometer groß. Für den Nachwuchs suchen Wölfe sogenannte Rendezvous-Plätze, die reichlich Fläche zum Spielen, Toben und zum sozialen Lernen bieten, aber auch als Rückzugsort geeignet sind. Sollte es für Menschen nicht auch Rendezvous-Plätze geben? Gibt es sie schon?
Lange Jahre lebten, jagten und wanderten unsere steinzeitlichen Vorfahren parallel zu den Wölfen. Man hatte Respekt voreinander und kam sich nicht in die Quere. Dann wurden die Menschen sesshaft, bauten Häuser, Stallungen, Zäune, verteidigten ihre Haustiere vor wilden Beutegreifern, jagten die Wölfe. Um 1850 gab es keine freilaufenden Wölfe mehr in Deutschland. Um 2000 aber kehrten die Wölfe zurück und heute sind sie international streng geschützt. Mittlerweile hatte der Mensch die Umwelt stark an seine Bedürfnisse angepasst, Flächen versiegelt, Flussläufe begradigt, Straßennetze verdichtet, Ballungsgebiete gebaut. Doch mit wachsendem Umweltbewusstsein hat ein Umdenken begonnen, das die Vielfalt von Fauna und Flora erhalten will und den Menschen als Teil der Natur erkennt. Und wie geht es den Wölfen? Wölfe sind anpassungsfähig. Solange es ausreichend Beutetiere gibt, können Wölfe in fast allen Regionen und Landschaftstypen leben, auch in vom Menschen geprägten Gegenden – etwa auf ehemaligen Truppenübungsplätzen. Nur das Straßen- und Schienennetz stellt für Wölfe ein echtes Risiko dar. Seit 2000 sind 70 % aller tot aufgefundenen Wölfe im Straßenverkehr ums Leben gekommen.
Auch die Lebensräume der Menschen werden enger. Der amerikanische Soziologe Ray Oldenburg stellt schon 1989 das Konzept des »Third Place«, des »dritten Ortes«, vor und bezeichnet damit einen Lebensraum, der nicht von alltäglichen Verpflichtungen besetzt ist. Der erste Ort für Menschen ist demnach sein Zuhause, der zweite Ort wäre der Arbeitsplatz. Der »dritte Ort« aber stellt einen Ausgleich zu Familie und Beruf her, er ist ein Ort der zwanglosen Begegnung und Kommunikation, der Entspannung. »Dritte Orte« sind Plätze, an denen man zusammenkommt, gemeinsam etwas erlebt und sich angenommen. Überall dort, wo sich Menschen unkompliziert treffen, kann ein »Third Place« entstehen. Das könnte die Nachbarschaftskneipe sein, eine Ecke im Park oder in Sport- oder Kulturstätten, im Bahnhof oder in der Bibliothek. Jede:r ist hier willkommen. »Dritte Orte« sind das Herzstück der sozialen Lebendigkeit einer Gemeinschaft. »Dritte Orte« könnten die Rendezvous-Plätze der Menschen sein. Ray Oldenburg hat sich übrigens seinen eigenen »dritten Ort« geschaffen. Er funktionierte die Doppelgarage seines Hauses zur Bar um, in der sich die Menschen aus der Nachbarschaft zwanglos treffen konnten.
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