FRAGEN ZUM WOLF …
Die Befreiung von sechs Wölfen aus dem Freigehege des Bayerischen Nationalparks zeigt, dass selbst jahrelange Aufklärungsarbeit nichts nützt, wenn Menschen Panik verbreiten wollen.
In der Nacht auf Freitag, den 6. Oktober 2017 öffnet ein Unbekannter das Tor des Freigeheges am »Haus der Wildnis« bei Ludwigsthal und befreit sechs Wölfe aus dem Gehege des Nationalparkzentrums Falkenstein. Das unbeschädigte Vorhängeschloss wird später ganz in der Nähe gefunden. Zunächst hält sich das Rudel noch relativ nahe am Gehege auf. Dennoch werden nur drei Dutzend Treiber eingesetzt, um die Wölfe wieder ins Gehege zurückzutreiben. Viel zu wenige, bedenkt man die Größe des Gebiets, in dem sich das Gehege befindet. Weil der Abstand zwischen den Treibern wegen der geringen Personenzahl zu groß war, kann ein Wolf zwischen den Männern hindurchhuschen. Es verstreichen wertvolle Stunden, ohne dass weitere Kräfte dazugeholt werden. Bereits wenige Stunden später ist der erste Wolf tot, überfahren von einem Zug, der in der Nähe vorbeiführenden Waldbahn-Strecke. Die Parkverwaltung unternimmt alles, um die Tiere lebend zu fangen. Doch die Mühe ist vergebens. Auch das Betäuben der Tiere mit Narkose-Pfeilen scheitert, da man mit den Narkosegewehren relativ nah an die Tiere herankommen muss. Zudem fliegen die Betäubungspfeile so langsam, dass die Wölfe ausweichen können. Am Sonntag erschießt ein Jäger einen Wolf, der sich nicht von den Siedlungen fernhalten wollte, in der Nähe der Ortschaft Zwieselerwaldhaus.
Der Schießbefehl
Nach zwei Tagen erfolgloser Suche will die Parkverwaltung auf die noch flüchtigen Tiere schießen lassen. Rückendeckung erhält der Parkleiter, Dr. Franz Leibl, dabei von Umweltministerin Scharf: »Wenn die Sicherheit der Menschen dies erfordert, muss auch ein Abschuss der Wölfe vorgenommen werden. Niemand macht sich eine solche Entscheidung leicht, aber die Sicherheit der Menschen hat Priorität.« In den sozialen Medien bringt der Schießbefehl dem Nationalpark viele wütende Kommentare ein.

… Antworten zum Leben
Weil sie gefüttert wurden, haben die Wölfe positive Erfahrungen mit den Menschen gemacht. Dadurch hätte es zu kritischen Situationen kommen können.
Während freilebende Wölfe auf europäischer und nationaler Ebene unter strengem Schutz stehen, sind die entlaufenen Tiere schlicht Eigentum des Nationalparks. Da sie zu wenig Scheu vor dem Menschen haben, gelten sie als unberechenbar – und damit als Risiko für den Menschen. Für den Leiter des Nationalparks, Dr. Franz Leibl, steht die Sicherheit des Menschen an erster Stelle, auch wenn die Wölfe dann getötet werden müssen. Der Verein »Pro Nationalpark« steht hinter der Entscheidung der Parkverwaltung, die flüchtigen Tiere erschießen zu lassen. Vereinschef Volker Freimuth glaubt, der Angriff eines Wolfes auf einen Menschen würde der Wolfsdiskussion mehr schaden als vier abgeschossene Wölfe. Auch Josef Heigl wäre froh, wenn die vier noch frei herumlaufenden Wölfe möglichst bald erschossen würden. Der Vorsitzende der »Bürgerbewegung zum Schutz des Bayerischen Waldes e.V.« setzt sich seit Jahren für eine Populationsbegrenzung von Raubvögeln und Raubtieren ein. Für ihn stellt sich die Frage, ob der Bayerische Wald überhaupt als Lebensraum für die Raubtiere geeignet ist. Denn so harmlos, wie der Wolf in den Medien dargestellt werde, sei er keinesfalls.
Der böse Wolf
Wenn im Wald nichts mehr zu holen sei, reiße der Wolf Schafe, Ziegen und in den Mutterkuhbetrieben auch Kälber sowie in den Gehegen Rot- und Damwild. Der Wolf werde durch die Dörfer streifen, um etwas Fressbares zu finden, und Biotonnen durchsuchen, sagt Heigl voraus und verweist auf das Buch »Zur Hölle mit den Wölfen« von Frank N. Möller. Der studierte Politikwissenschaftler hat unter diesem Titel einseitig alles zusammengetragen, was gegen die Rückkehr des Wolfes nach Deutschland spricht. Unter Überschriften wie »Menschen in Lebensgefahr« oder »Bevölkerung im Belagerungszustand« warnt der Selbstverleger, dass Wölfe in ländlichen Gegenden schon bald Kinder an Schulbushaltestellen fressen könnten.

»Wo ziehe ich die Grenze zwischen berechtigten Bedenken und irrationalen Ängsten?«
Wölfe auf Freigang
Nach wie vor ist unklar, warum jemand das Gehegetor geöffnet und die Wölfe so freigelassen hat. Aus Sicht der Parkverwaltung wird dadurch die Wolfsdiskussion in Bayern angeheizt. Der Vorsitzende Heigl glaubt nicht, dass das Schloss von einem Wolfsgegner geöffnet wurde, der auf diese Weise die landesweite Debatte über den Wolfbeeinflussen wollte. Denkbar sei auch falsch verstandene Tierliebe. Doch so eine Befreiungsaktion sei bei Tieren, die lebenslang gefüttert wurden, unsinnig.
Für Waldführer Jan F. Turner ist klar, dass hinter der Tat nur Gegner des Wolfes stecken können. Denn einem Tierschützer sei das Risiko viel zu groß, dass die Wölfe erschossen werden. So wie es jetzt passiert ist. Er legte sein Ehrenamt wegen der Wolfsabschüsse nieder und warf der Nationalparkverwaltung vor, sie beruhige durch ihr Tun nur »irrationale Ängste«. Wolfsexperte Ulrich Wotschikowsky kann die ganze Aufregung nicht verstehen. Nach Überzeugung des ehemaligen stellvertretenden Leiters des Nationalparks stellen die Wölfe keine Gefahr für den Menschen dar: »Sie bekommen ja von den Menschen, die an das Gehege kommen, keine Salamischeiben zugeworfen. Daher glaube ich nicht, dass sie den Menschen mit einer Futterquelle verbinden – wenn das so wäre, wäre es allerdings ein Problem«, zitiert ihn die Passauer Neue Presse. Der Experte garantiert, wenn man auf den Wolf energisch zugehe und schreie, renne er davon.
Alle Fragen offen
Obwohl das Bayerische Umweltministerium 10.000 Euro Belohnung für Hinweise auf den Täter ausgesetzt hat, kann die Polizei in Zwiesel nach wie vor nicht erklären, wer die Tiere freigelassen hat. Das Landeskriminalamt untersucht vier Monate nach der Tat noch immer das Schloss und die Schlüssel des Freigeheges. Die Parkverwaltung hat inzwischen neue Schlösser beschafft – diesmal »Top-Schlösser, das Sicherste vom Sichersten«. Am 9. Februar stellte die Nationalparkverwaltung die Suche nach den noch vermissten Wölfen ein.
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