FRAGEN ZUM WOLF …
Von der Faszination bis zur Mystifizierung, von der Angst bis zum blinden Hass: Kaum ein anderes Tier weckt so starke Gefühle im Menschen wie der wild lebende Wolf. Vielleicht weil er uns so ähnlich ist? Wölfe sind intelligent, kreativ, sie zeigen ein ausgeprägtes Sozialverhalten, gründen Familien. Heute kann der Wolf, wie der Wildbiologe Ulrich Wotschikowsky sagte, ein Augenöffner sein. Er hält uns Menschen den Spiegel vor. Denn die hitzige Debatte, die die Rückkehr des Wolfes begleitet, ist im Kern eine Debatte darüber, wie wir in Zukunft leben wollen. Sehen wir uns als Teil der Natur und geben ihr deshalb den Raum zur Entfaltung, den sie braucht? Mit den Mitteln der Kunst lenkt Gisela Krohn den Blick auf die von Ausbeutung und Zerstörung bedrohte Natur, stellt die Frage nach dem Wert der Wildnis für den Menschen, macht das Vertrauen der Wildtiere zu ihrem Rudel, in ihren Lebensraum sichtbar wie hier im Gemälde »Never Alone 2«. Es zeigt die Wölfe vollkommen ungestört. Als Ausgangspunkt dienen Gisela Krohn u.a. Fotos von Wildkameras.
… ANTWORTEN ZUM LEBEN
»Der Wolf ist nicht nur ein Wildtier, er ist ein Symbol für das freie, ungezähmte Leben«, sagt Gisela Krohn, Künstlerin, Initiatorin und Kuratorin der Ausstellung »Wald. Wolf. Wildnis.« »Er kann uns an unsere eigenen, ursprünglichen Kräfte erinnern und an unser Verbundensein mit der Natur.«
Wie Gisela Krohn als Stadtkind den Weg in den Wald gefunden hat? Bei Familienurlauben hat sie der Vater mit auf den Berg genommen, mit ihm hat sie Murmeltiere beobachtet und ab und zu fand sie – zu ihrer großen Freude – auch eine Kröte im Bett. Der Mutter gefiel das nicht ganz so gut. Aber Gisela Krohn liebt Kröten bis heute. Nach der Schulzeit entscheidet sie sich für eine Ausbildung zur Bühnenmalerin an der Deutschen Oper in Berlin. »Das Theater hat mich gereizt«, sagt sie, »mit anderen zusammen etwas erschaffen. Das war großartig. Aber die Hierarchien, das war nicht meins. Also habe ich mich verabschiedet – ohne eine Alternativvorstellung zu haben.«
VOM WEG IN DIE WILDNIS
Dann kam Kanada. Gisela Krohn besuchte dort mehrfach eine Freundin, und eines Tages blieb sie einfach, »weil es so schön war«: Eine Blockhütte auf dem Berg, keine Nachbarn, kein Strom, kein fließendes Wasser, es gab ein paar Schafe und Ponys, mit denen man Lasten zur Hütte transportieren konnte. »Das war ein komplett anderer Lebensentwurf, aber die Nähe zur Natur hat mich unvorstellbar glücklich gemacht. Teilweise habe ich auch alleine in der Blockhütte gelebt«, erzählt Gisela Krohn weiter. »Der Rat für diese Zeit: Sollte ich allein im Wald unterwegs sein und ein auffälliges Knacken hören – laut in die Hände klatschen. Entfernt sich das Knacken, ist es gut. Tut es das nicht, ist es ein Mensch. Und ich sollte dann so schnell wie möglich in die Hütte zurück. Das Wildtier stellt gegenüber dem Menschen die weitaus geringere Gefahr dar, es zieht sich zurück. Doch wir Menschen zerstören die wenigen unberührten Lebensräume der Tiere und reduzieren so die Rückzugsräume unzähliger Tier und Pflanzenarten. Mit welchem Recht?«, fragt Gisela Krohn. »Das Artensterben ist womöglich das größte Problem unserer Zukunft.«
VERBINDUNG VON KUNST UND NATUR
»Das Leben in und mit der Natur war unglaublich bereichernd, ein Abenteuer, ein Geschenk«, sagt Gisela Krohn. »Doch angesichts der weltweiten Bedrohung und Zerstörung der Natur musste ich mich fragen: Was kann ich bewegen? Lässt sich etwa durch die Kunst eine andere, neue Debatte lostreten? Eine Debatte, die den Dialog zwischen Kunst und Wissenschaft, zwischen Mystik und Biologie, zwischen Malerei und Literatur ermöglicht und damit spannende, ungewohnte, ganzheitliche Perspektiven eröffnet. Die Idee zur Gruppenausstellung »Wald. Wolf. Wildnis.« war geboren. Und in dem Augenblick, da die Idee in der Welt war, flogen mir Kontakte und Vorschläge zu. So lernte ich auch den Wildbiologen Ulrich Wotschikowsky kennen und schätzen. Bis zu seinem Tod war ich mit ihm im Austausch und sein Vermächtnis ist heute auch Teil der Ausstellung. Mit der konzeptionellen Ausarbeitung wurde mir klar, dass dieses Ausstellungsprojekt langfristig und international angelegt sein muss. Denn je nach Region ist die Beziehung zur Wildnis unterschiedlich. Diese Vielfalt der Sichtweisen und Erfahrungen bereichert. Deshalb wandelt sich die Ausstellung je nach dem Ort, an dem sie gezeigt wird. Die derzeitige Ausstellung »Wald. Wolf. Wildnis.« im Haus Beda in Bitburg läuft noch bis zum 9. Mai, ist aber derzeit coronabedingt geschlossen (Infos: haus-beda.de). Eine Folgeausstellung ist für den Herbst in Linz geplant. Aktuelle Informationen erhalten Sie über die Website von Gisela Krohn: giselakrohn.de.
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