FRAGEN ZUM WOLF …
Es gibt nicht viele Menschen, die der unberührten Natur so nahe sind wie Wildbiologe und Forstwissenschaftler Christoph Promberger. An Begegnungen mit Wölfen erinnert er sich gerne:
BEGEGNUNGEN, DIE SPUREN HINTERLASSEN
»Es ist viele Jahre her, als ich den Yukon River in Kanada herunterpaddelte. An einer Waldlichtung neben dem Fluß baute ich mein Zelt auf, schlief aber draußen, um die Nacht unter freiem Himmel zu genießen. Da sah ich ihn. Schemenhaft tauchte ein Wolf circa 150 Meter entfernt von mir auf. Es war einfach fantastisch.«
DAS FEINSTE VOM FEINSTEN
»Der Wolf in freier Wildbahn, das ist das Feinste vom Feinsten, was wir in Europa haben. Die Strecken, die sie zurücklegen, die Power, die Art, wie sie jagen. Bei allem, was sie tun, kann man sie mit Superlativen beschreiben. Sie steuern das Ökosystem. Sie bilden die Spitze der tropischen Pyramide, sind also an der Spitze der Nahrungskette. Allein, dass es so selten ist, sie in freier Wildnis anzutreffen, macht sie zu etwas Besonderem. Außerdem ist es spannend, wie der Wolf solche Emotionen auslösen kann. Ob es sie gibt oder nicht, ist erst mal unbedeutend für den Menschen. Dennoch löst er sowohl Ablehnung und Angst auf der einen Seite und unglaubliche Begeisterung auf der anderen Seite aus, wobei beide Seiten nicht besonders realistisch sind.«
Noch immer schlägt Christoph Promberger das Herz höher, wenn er ein Rudel heulen hört. Kalt und heiß läuft es einem den Rücken herunter und Gänsehaut kommt auf. So beschreibt er das Gefühl, das sich einstellt, wenn die Wölfe von sich hören lassen.
… ANTWORTEN ZUM LEBEN
Die Faszination für Wölfe hat Christoph Promberger beibehalten. Die Leidenschaft für die Wildnis nutzt er gemeinsam mit seiner Frau Barbara für den Schutz der Natur. Für die Wolfsspur erzählt er aus seiner Welt, zu der wilde Tiere wie Bären, Wölfe, Luchse und der Urwald gehören. Man muss die Wildnis lieben. Anders wäre es kaum zu erklären, dass Christoph Promberger und seine Frau Barbara das Fagaras-Gebirge zu ihrer Wahlheimat erklärt haben. Die Gebirgsgruppe ist Teil der Südkarpaten in Rumänien.
VOM BAYERISCHEN WALD INS TRANSSILVANISCHE HÜGELLAND
Er, aus dem Bayerischen Wald stammend, sie aus Österreich, lernten sich während Forschungsarbeiten rund um wilde Wölfe in Rumänien kennen und blieben. Mit Wölfen kennen sich beide bestens aus – nicht nur theoretisch. Seit 1993 kümmern sich beide um den Naturschutz, in vielen Facetten. Sie widmen sich dem Ökotourismus, betreiben eine Reiterpension. Mit der Stiftung Fundatia Conservation Carpathia (FCC) unterstützen die Prombergers den Aufbau eines Wildnisschutzgebietes. »Barbara und ich sind Biologen. Den superschönen Wald und die Wildtiere zu sehen macht uns am meisten Spaß. Wir haben beispielsweise Wisente zurück in das Gebiet geholt. Allein der Gedanke, dass sie jetzt wieder da sind, erfüllt uns mit Freude.«
IN RUMÄNIEN HAT KEINER ANGST VOR WÖLFEN
Sie gehören einfach dazu in Rumänien. Liegt es daran, dass es dort einfach mehr von ihnen gibt und Mensch und Wolf seit jeher zusammenleben? Es überrascht Christoph Promberger immer wieder, dass in einem Land wie Deutschland oft falsche Vorstellungen existieren, die sogar politisch missbraucht werden. »Es ist schwierig, das den Leuten verständlich zu machen, die Angst zu nehmen, die oft irrational ist – selbst in Gebieten, in denen die Leute noch stark in Kontakt sind mit der Natur.« Bei seinem letzten Besuch im Bayerischen Wald erkannte ihn eine Frau und erklärte, wie froh sie sei ihn getroffen zu haben, weil sie sich nicht mehr traue im Wald spazieren zu gehen, seit die Wölfe zurück sind. »Das hat mich schockiert. Ich habe dazu geraten, sofort ein Foto zu machen, falls sie wirklich einen Wolf sieht.« Die Angst verschwinde am ehesten, wenn die Wölfe eine Zeit lang im Gebiet sind. »Nach einigen Jahren merken die Menschen: da passiert nichts. Es kommt vor, dass der Wolf Schafe reißt. Der Rest ist auf Emotionen aufgebaut.« Die Akzeptanz und das Vertrauen der Menschen vor Ort haben sich die beiden erarbeitet. Zu Beginn gab es viel Skepsis. Es wurden Demos organisiert und sie wurden beschuldigt, die Interessen der Tiere stärker zu vertreten, als die der Menschen vor Ort. Doch selbst den hartnäckigsten Kontrahenten konnten sie überzeugen. »Eines Tages habe ich ihn direkt angesprochen. Das hat alles verändert. Wir sind mit dem Auto durchs Gebiet gefahren, haben Missverständnisse ausgeräumt. Heute zählt er zu den besten Freunden und Beratern, verteidigt uns sogar. Man kann zuhören und andere Blickwinkel einnehmen.«
Es ist schwierig, das den Leuten die Angst zu nehmen, die oft irrational ist.
Christoph und Barbara Promberger leiteten zehn Jahre lang Forschungs- und Schutzprogramme für Großraubtiere. Heute widmen sie ihre Zeit und ihr Wissen zwei großen Natur- und Landschaftsschutzprogrammen. Unter carpathia.org erfahren Sie mehr.
SCHUTZ STATT VERBOTE
Präventionsmaßnahmen schützen die Nutztierhalter. »Wir verleihen Elektrozäune und züchten eine Hunderasse, den ›Carpatin‹, der effektiv in der Abwehr von Wölfen ist. Zweitens haben wir eine schnelle Eingreifgruppe, die mit Geländewagen und Betäubungsgewehren ausgestattet ist. Sie werden über die 112 hinzugeholt, wenn z.B. ein Bär in den Stall einer Schäferei will. Drittens setzen wir auf Soforthilfen. Die Menschen hier leben ja nicht nur vom Verkauf einer Kuh, sondern auch von der Milch. Wenn ein Nutztier durch Wildtiere entwendet wird, können wir Landwirte durch Tiere aus der eigenen Schäferei sofort entschädigen.«
1.000 SCHRITTE — JEDER IST WICHTIG
USA hat sie, Afrika auch, Europa bald auch in Rumänien? Den Traum davon, »ihr« Gebiet zu einem Nationalpark werden zu lassen, den die Welt kennt, verfolgen sie weiter. Für die Prombergers ist das Gebiet das schönste Europas und sie denken groß. Die Diversität auf kleinem Raum, Urwälder, Wildtiere, uralte Kulturlandschaften, das Donaudelta und die Herzlichkeit der Menschen faszinieren. Um den Ökotourismus auszubauen, arbeiten sie an Glamping-Konzepten, die glamouröses Zelten in der Natur mit Erlebnissen in der Wildnis vereinen. COVID-19 schränkt auch ihre Arbeit ein, z.B. mit Schulklassen. Vor Kurzem hatten die Prombergers allerdings Besuch aus Bayern. Der Bayerische Rundfunk war zu Gast. Unter br.de »Unter unserem Himmel« gibt es Live-Eindrücke zum Abholen.
Bildnachweise: Dragomir Matei Ionut, Dan Dinu, Christoph und Barbara Promberger, Camera trap Conservation Carpathia