FRAGEN ZUM WOLF …
Um die Nachbarschaft von Mensch und Wolf für beide Seiten so erfolgreich wie möglich zu gestalten, gibt es Wolfsmanager und Managementpläne, die ständig weiterentwickelt werden.
Ein großer Beutegreifer in einer von Menschen gepflegten Kulturlandschaft birgt ein hohes Konfliktpotenzial. Durch ihr natürliches Verhalten geraten Wölfe immer wieder in Konkurrenz zu menschlichen Interessen – sei es in der Land- und Forstwirtschaft, bei der Jagd oder im Tourismus. Deshalb ist es wichtig, das Zusammenleben von Wölfen und Menschen möglichst professionell zu begleiten. Jochen Grab ist Forstingenieur und widmet sich auch freiberuflich seit 20 Jahren wildbiologischen Fragestellungen. Den Schwerpunkt bilden dabei die Rückkehr von Wolf, Bär und Luchs und der Umgang mit den Menschen vor Ort: »Zunächst einmal führt der Begriff ›Wolfsmanager‹ in die Irre. Tatsächlich geht es bei dieser Tätigkeit nicht in erster Linie darum, Wölfe zu managen, sondern für die Menschen da zu sein.«
UNTER BEOBACHTUNG
Wie Jochen Grab erklärt, wurde »für die standardisierte Dokumentation verschiedener Hinweise zum Wolf in Bayern ein Team aus 200 geschulten Personen (Jäger, Förster, Landwirte, Naturschützer) aufgebaut – unser ›Netzwerk große Beutegreifer‹«. Sie gehen zum Beispiel Hinweisen aus der Bevölkerung nach, stellen sogenannte Fotofallen auf oder nehmen Proben für genetische Analysen. Über diese Maßnahmen hinaus fungiert der Wolfsmanager »vor allem auch als Ventil für Emotionen und kann so helfen, Druck und Spannung bei Betroffenen, bei Verbandsvertretern bis hin zur Politik abzubauen«, umreißt der Forstingenieur sein Aufgabenfeld. Das grundsätzliche Ziel des Wolfsmanagements ist es seiner Ansicht nach, »zwischen den Interessen von Menschen und den Ansprüchen von Tieren zu vermitteln. Konkret geht es dabei um die Minimierung von Konflikten, die mit der Rückkehr des Wolfes entstehen«.
… ANTWORTEN ZUM LEBEN
Wir stehen derzeit vor der schwierigen Aufgabe, die Wölfe in Deutschland wild zu halten, damit sie sich nicht als Kulturfolger entwickeln, und andererseits den Menschen zu besänftigen, ohne dass er sich irgendwann wie ein Lamm fühlt.
Deutschland ist vonseiten der Europäischen Union dazu verpflichtet, für den Wolf als streng geschütztes Tier Sorge zu tragen. Entscheidend für die Sicherung des Wolfsbestandes in Deutschland ist die Akzeptanz seitens der Bevölkerung und vor allem der Nutztierhalter. Der Wildtiermanager sollte Konflikte, die sich anbahnen, frühzeitig erkennen und moderieren. Es gehört zu seinen Aufgaben, die Balance zwischen unterschiedlichen Interessen zu finden. Doch wie baut man Ängste und Vorurteile in der Bevölkerung und bei den Nutztierhaltern ab?
VERTRAUENSARBEIT
Für Jochen Grab ist der persönliche Einsatz ausschlaggebend: »Wolfsmanagement ist Menschenmanagement ist Vertrauensmanagement! Vertrauen benötigt Bindung, die durch Identifikation mit der Ausgangslage des Gegen- übers entsteht – und das geht nur im persönlichen Kontakt.« Der Forst Ingenieur weiß aus Erfahrung: »Es ist in erster Linie die Art und Weise, wie wir zwischenmenschlich miteinander umgehen, die hilft, sich mit einem neuen, komplexen und für den Einzelnen zu großen Thema vertraut zu machen.« Die vor Ort agierenden Wildtiermanager benötigen ein hohes Maß an emotionaler Intelligenz. »Rein sachlich auf Emotionen zu reagieren, ist wenig zielführend«, gibt Jochen Grab zu bedenken, »weil die Kommunikation dann auf unterschiedlichen Ebenen abläuft. Die eine Seite wirkt arrogant und besserwisserisch, die andere stur und gefühlsgesteuert.«
EINE BALANCE FINDEN
Jochen Grab ist sich darüber im Klaren, dass es für komplexe Zusammenhänge und Konflikte keine einfachen und schnellen Lösungen gibt: »Wer sich ernsthaft für die Belange von Betroffenen einsetzen möchte, muss sich auf den deutlich mühsameren und langwierigeren Weg machen, um die Zusammenhänge zu verstehen und dauerhafte, den lokalen Bedingungen angepasste Lösungsansätze zu erarbeiten.« Ein respektvolles und von Wertschätzung geprägtes Miteinander spielt dabei eine wichtige Rolle. Wie ein konfliktarmes Nebeneinander von Mensch und Wolf gelingen kann, zeigen andere europäische Länder, in denen der Wolf und mit ihm das Wissen über den Umgang mit ihm nie komplett verschwunden sind. Um dieses Wissen wieder zu reaktivieren, rät Grab allen beteiligten Gruppen, »nicht nur Fragen zu stellen, sondern sich bei der Suche nach Antworten aktiv einzubringen«. Damit können alle Beteiligten gemeinsam viel zur Deeskalation und konstruktiven Erarbeitung von alternativen Lösungsansätzen beitragen.
ZUSAMMENVERANTWORTUNG
Doch immer häufiger »entbrennen um die Rückkehr des Wolfes Wertekonflikte, die weit über Sachfragen hinausgehen und nur langfristig lösbar sind«, sagt Jochen Grab. Seiner Erfahrung nach wird der Wolf instrumentalisiert, um individuellen Interessen mehr politisches und mediales Gewicht zu geben. Er weiß: »Das lässt sich nicht auf der Sachebene lösen, sondern verlangt eine beständige Kommunikation auf Augenhöhe. Auf der Gruppenebene findet die Vertrauensbildung unter anderem durch eine praktizierte Zusammenverantwortung statt, bei der nicht die Interessen der Gruppe, sondern die Unterstützung der unmittelbar Betroffenen in den Vordergrund gestellt wird.« Und bei allzu hitzigen Debatten hilft manchmal auch einfach eine Portion Gelassenheit.

Forstingenieur Jochen Grab hielt beim »Wolfstag 2019« einen Vortrag über Wolfsmanagement.
Text: Frank Neubauer | Bildnachweise: privat; Adobestock/jimcumming88