Warum verlassen Menschen ihre Heimat, um in der Ferne ein neues Leben zu beginnen? Mitarbeiter:innen aus dem Passauer Wolf erzählen uns von ihrer persönlichen Migrationsgeschichte. Von mutigen ersten Schritten, verbindenden Erlebnissen, lehrreichen Momenten und dem Gefühl, im neuen Leben angekommen zu sein.
Luigi Convertini, Auszubildender Pflegefachmann
Luigi Convertinis berufliche Reise begann als Medizinstudent in Italien. Aufgrund der Corona-Pandemie musste er sein Studium pausieren. Nach zwei Jahren als Erste-Hilfe-Dozent übernahm er die Pflege eines Familienmitglieds und erkannte dabei seine berufliche Bestimmung: sich direkt und in engem Kontakt um Menschen zu kümmern. »Ich entdeckte die Ausbildung zur Pflegefachkraft beim Passauer Wolf, lernte in Windeseile Deutsch, bewarb mich, und jetzt bin ich hier«, erzählt uns der 31-Jährige, der gebürtig aus Trient stammt. Im Passauer Wolf wurde Luigi Convertini herzlich aufgenommen. Vor größere Herausforderungen stellte ihn anfangs vor allem die Sprache, genauer gesagt der bayerische Dialekt. »Glücklicherweise brachten mir einheimische Kolleg:innen die Grundlagen bei. Von da an begann ich zu verstehen, was gesagt und verlangt wurde«, erinnert er sich. Nach der überwundenen Sprachbarriere lebte er sich in seinem neuen Umfeld schnell ein. »Da ich einen wissenschaftlichen und pädagogischen Hintergrund habe, konnte ich mich relativ schnell nützlich machen, was hier sehr geschätzt wird«, erklärt er. Durch die Arbeit im Passauer Wolf bemerkte er, dass sich aus seinem anfänglichen Interesse für den Pflegeberuf eine echte, brennende Leidenschaft entwickelte. »Bevor ich nach Deutschland kam, hatte ich keine Ahnung, wie komplex und vielfältig die Arbeit einer Pflegefachkraft ist. Die verschiedenen Modelle, Prozesse, die mentale und emotionale Energie, die für die Arbeit erforderlich ist. Das alles hat mich sehr beeindruckt und fasziniert.« Luigi Convertini erlebt es als großen Gewinn, mit Menschen unterschiedlicher Nationalitäten zusammenzuarbeiten. »So schwer es auch zuzugeben ist, jeder von uns trägt Stereotypen in sich, die ihm von der Gesellschaft oder der Familie eingeimpft wurden. Die enge Zusammenarbeit mit Menschen verschiedener kultureller Hintergründe hat mir gezeigt, dass wir letztlich alle Menschen mit ähnlichen Bedürfnissen sind«, stellt er fest. »Für mich liegt der große Vorteil darin, dass ich Verständnis für andere Kulturen kontinuierlich erweitern und dieses Wissen direkt auch im beruflichen Kontext einsetzen kann.« Entscheidend für eine gelungene Integration sind für ihn gemeinsame Aktivitäten wie Bowling, Abendessen und Feste mit den Kolleg:innen. Sie fördern ein lockeres Kennenlernen und helfen dabei, sich gegenseitig nicht nur als Arbeitspartner:innen, sondern als Menschen zu sehen. Luigi Convertinis Lebensmotto lautet: »Per aspera, ad astra« – »Über raue Pfade gelangt man zu den Sternen«. Mit seiner Reise von Italien nach Deutschland hat er bewiesen, dass man mit Hartnäckigkeit, Disziplin und einer Portion Mut auch schwierige Wege meistern kann.
Christian Mandl Wagner, Pflegedienstleiter
»Wir verfolgen dasselbe Ziel, Menschen zu pflegen. Das schweißt uns zusammen.«
In Das Pflegeteam von Christian Mandl-Wagner im Passauer Wolf Bad Griesbach ist so bunt wie die Welt selbst. Hier arbeiten Mitarbeiter:innen unterschiedlichster Nationalitäten Hand in Hand. »Wir nennen uns selbst scherzhaft Klein-Mauritius«, erzählt Christian Mandl-Wagner, »weil bei uns – wie auf der afrikanischen Insel Mauritius – so viele Religionen und Kulturen friedlich zusammenarbeiten.« Warum funktioniert das so gut? »Wir alle verfolgen dasselbe Ziel, Menschen zu pflegen«, erklärt Mandl-Wagner, »und das schweißt uns zusammen. Ein großer Vorteil ist, dass wir viele Kolleg:innen und Praxisanleiter:innen haben, die bei sprachlichen Schwierigkeiten helfen können. Team-Veranstaltungen spielen außerdem eine wichtige Rolle. Wenn wir merken, dass ausländische Kolleg:innen Schwierigkeiten haben Anschluss zu finden, ermutigen wir sie, an Team-Events und Fortbildungen teilzunehmen, wo sie neue Kontakte knüpfen und schneller Deutsch lernen. Das baut Ängste ab und erleichtert das Ankommen.« Die Einbindung neuer Mitarbeiter mit Migrationshintergrund erfordert viel Vorarbeit. Die Personalabteilung leistet hierbei wertvolle Unterstützung, indem sie vorab Informationen über die neuen Mitarbeiter:innen sammelt und deren Bedürfnisse berücksichtigt. »Wir unterstützen neue Kolleg:innen beim Abschließen von Verträgen, bei der Wohnungssuche, bei der Anmeldung im Einwohnermeldeamt und beim Kauf eines Handys«, erklärt Mandl-Wagner. Oft sind es die kleinen Momente, die die großen Unterschiede deutlich machen. Ein solcher Moment ereignete sich während einer Aktion, bei der Christian Mandl-Wagner am 6. Dezember als Nikolaus verkleidet Geschenke an die Kolleg:innen verteilte. »Für unsere neuen indischen Kolleg:innen war das total ausgeflippt, sie waren richtig geschockt, als ich als Nikolaus verkleidet zur Tür reinkam«, erinnert er sich. Trotz aller Unterschiede empfindet Christian Mandl-Wagner die kulturelle Vielfalt in seinem Team als große Bereicherung. »Wir können nicht nur menschlich viel voneinander lernen, sondern auch im beruflichen Kontext ist Vielfalt hilfreich. Wenn wir ausländische Patient:innen haben, gibt es so gut wie nie eine Sprachbarriere, weil wir immer jemanden im Team haben, der die jeweilige Sprache beherrscht. So können wir uns schnell auf die Patient:innen und deren Bedürfnisse einstellen.« Und natürlich hat es auch ganz andere praktische Vorteile: An katholischen Feiertagen wie zum Beispiel Weihnachten findet sich immer jemand im Team, der die unbeliebte Schicht übernimmt.
Eylül Karakas, Physiotherapeutin
Im Alter von 14 Jahren wagte Eylül Karakas zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Zwillingsbruder den Schritt aus der Türkei nach Deutschland, angetrieben von familiären Gründen. Das war 2016. Eine zufällige Fügung brachte sie zwei Jahre später in das Team des Passauer Wolf. »Meine Mama hatte mich losgeschickt und gesagt, ich solle erst dann wieder nach Hause kommen, wenn ich eine Arbeit gefunden habe. Also bin ich nach Bad Gögging geradelt und ins erste Gebäude reingegangen, das mir ins Auge stach – so bin ich zum Passauer Wolf gekommen und bis heute geblieben.« Während ihres Minijobs im Service begann sie 2019 parallel eine Ausbildung zur Physiotherapeutin im Passauer Wolf. Mit Durchhaltevermögen und der Unterstützung ihrer Kolleg:innen bewältigte sie die sprachlichen Hürden und schloss ihre Ausbildung erfolgreich ab. Die Aufnahme im Team des Passauer Wolf verlief für Eylül reibungslos. Ihr Team zeigte sich hilfsbereit und freundlich, und durch ihre Tätigkeit verbesserte sich auch ihr Deutsch erheblich. »Meine jetzigen Teamkolleg:innen kannte ich durch meine Ausbildung teilweise schon davor. Was ich aber nicht wusste: dass sie so cool drauf sind. Ein besseres Team kann ich mir nicht vorstellen.« Ihre Herkunft spielte dabei keine Rolle, im Gegenteil: »Man kann sich viel gegenseitig austauschen und Neues erfahren. So sollte es auch sein. Für mich ist es schön, andere Kulturen kennenlernen zu dürfen. Ihre Mentalität, ihre Traditionen, typische Nationalgerichte und vieles mehr.« Da ihre Herkunft unter den Kolleg:innen auf reges Interesse stößt, hat Eylül Karakas bereits einen Baklava-Tag eingeführt, an dem sie zusammen mit ihrem Team die türkische Süßspeise backt. In einem Vokabelheft werden außerdem türkische Vokabeln gesammelt. »Meine Kolleg:innen sind mittlerweile selbst schon halb türkisch«, scherzt sie. Die Tatsache, dass Türkisch ihre Muttersprache ist, erweist sich als wichtiger Vorteil im Team, besonders wenn es um die Kommunikation mit Patien:innen geht, die wenig Deutsch sprechen. Für Eylül ist Integration ein aktiver Prozess, der Offenheit, Neugier und den Willen zur Teilnahme erfordert. »Aus meiner Erfahrung ist es wichtig, immer nachzufragen, wenn man etwas nicht versteht und offen für Neues zu sein. Sich mit den Kolleg:innen zu unterhalten, sie kennenzulernen, auch außerhalb der Arbeitszeiten. Ihre Kultur zu verstehen und die eigene Kultur miteinzubringen. Einfach Spaß haben im Moment. Einfach leben. Dann kommt der Rest von selbst.«
ALVINA HARUTYUNYAN, AUSZUBILDENDE PFLEGEFACHFRAU
HAYKARAM POGHOSYAN, PFLEGEHELFER
Alvina Harutyunyan und Haykaram Poghosyan verließen ihre Heimat Armenien wegen des Kriegs und schlechter Zukunftsperspektiven. Die Anmeldung in der deutschen Botschaft in Armenien war für das Ehepaar ein langwieriger Prozess, der über ein Jahr dauerte und viele Unterlagen sowie Übersetzungen erforderte. »Das hat uns sehr viel Zeit, Geld und Nerven gekostet«, erinnert sich Haykaram Poghosyan. »Aber wir waren bereit, diese Herausforderung zu meistern, um in Deutschland eine bessere Zukunft zu finden.« In einer Asylunterkunft in Nittenau fanden sie vorübergehend Zuflucht, bevor sie sich beim Passauer Wolf in der Pflege bewarben. Im Team des Passauer Wolf wurden sie herzlich aufgenommen. »Wir haben von Anfang an sehr viel Hilfe von unseren Vorgesetzten bekommen«, erzählt Alvina Harutyunyan. »Sie geben uns Zeit, helfen bei allen Fragen oder Problemen und stärken uns immer den Rücken – das gibt uns Kraft.« Diese unterstützende Haltung und die Bereitschaft, für die neuen Mitarbeiter die Extrameile zu gehen, haben ihnen das Ankommen deutlich erleichtert. Ihre kulturelle Herkunft wirft im Team keine Barrieren auf. Im Gegenteil, ihre Erfahrung in der Pflege älterer Menschen, die in Armenien traditionell eine Familienaufgabe ist, bringt eine besondere Perspektive mit sich, wovon auch die Kolleg:innen profitieren können. »Unsere Offenheit gegenüber anderen Kulturen war schon immer sehr ausgeprägt«, erklärt Haykaram Poghosyan. »Deshalb ist es uns nicht schwer gefallen, auf unsere neuen Kolleg:innen zuzugehen und Kontakte zu knüpfen.« Kleine Missverständnisse sind aufgrund der kulturellen Unterschiede natürlich trotzdem unvermeidbar. »In Armenien beginnen wir den Arbeitstag üblicherweise erst um 9:00 Uhr. Als mir gesagt wurde, dass ich um 6:00 Uhr an meinem ersten Arbeitstag erscheinen soll, habe ich das zuerst für einen Scherz gehalten«, erzählt Alvina Harutyunyan. »Mittlerweile haben wir uns an die für uns ungewöhnlichen Arbeitszeiten gewöhnt.« Den Kontakt zu ihren Familien in Armenien erhalten sie trotz der räumlichen Distanz aufrecht. Über Skype feiern sie traditionelle Feste mit ihren Verwandten – zum Beispiel das Neujahrsfest, das in Armenien typischerweise sechs Tage lang dauert und zu dem es Brauch ist, jedem älteren Verwandten zum neuen Jahr zu gratulieren. Auch wenn das nicht optimal ist und das Heimweh manchmal traurig macht, steht für das Ehepaar eines fest: »Wir haben hier unsere Leidenschaft für die Pflege entdeckt und möchten uns in den nächsten Jahren beruflich weiterentwickeln. Der Passauer Wolf ist für uns dafür der ideale Ort.«
Bildnachweis: Sebastian Pieknik