Mit Menschen zu arbeiten, für andere da zu sein, wenn sie gerade Hilfe benötigen – das kann einem selbst viel geben. Herausfordernd ist die Arbeit in der Gesundheitsbranche trotzdem. Wer sich dafür entschieden hat, weiß wie es ist, wenn es »menschelt«. Wenn Herr Müller auf Station drei frustriert ist, weil er es gerne endlich wieder selbst schaffen würde, sich die Socken anzuziehen. Und, wenn man es schafft diesen Frust in ein Lächeln zu wandeln, indem man ihm aufzeigt, welchen Weg er schon gemeistert hat. Uns interessiert, was Mitarbeiter:innen machen, um diese Kräfte neu aufzuladen und haben die Frage gestellt »Was macht ihr, wenn ihr die Arbeit loslasst?« Dabei sehen wir »Loslassen« als eine befreiende Handlung, die nicht nur Raum für Neues schafft, sondern auch unsere innere Stärke und Resilienz fördert. Vier Mitarbeiter:innen geben uns Einblick.

PETRA HELLINGER, REHA-ASSISTENZ
Petra Hellinger kümmert sich in ihrem Beruf als Reha-Assistentin im Passauer Wolf seit 2019 täglich um ältere Menschen. Und das tut sie gerne. So gerne, dass sie ihre Erfahrung, die sie als Übungsleiterin im Sportverein schon gesammelt hat, seit mehr als sieben Jahren nutzt, um eine Senior:innen-Gymnastikgruppe in ihrer Freizeit zu leiten. »Durch meinen Beruf bringe ich Kenntnisse mit, die im Umgang mit älteren Menschen von Vorteil sind. Das hat mir auch selbst geholfen, mir das zuzutrauen«, erklärt Petra Hellinger. Auf die Frage, ob sie während der Gymnastikstunden die Arbeit ein Stück weit loslassen kann, bekommen wir eine klare Antwort: »Ja, auf alle Fälle. Für mich ist es erfüllend zu sehen, mit welcher Freude die Senior:innen zur Gymnastikstunde kommen. Man kann auch im höheren Alter und trotz körperlicher Einschränkungen noch sehr fit sein. Wichtig ist es, sich zu bewegen. Das Zusammenkommen und die Bewegung in der Gruppe macht allen einfach Spaß. Das gibt mir sehr viel zurück.« Wenn Petra Hellinger gerade nicht im Sportverein tätig ist, gelingt ihr das Loslassen auch anders. »Ich verbringe meine Freizeit sehr gerne draußen in der Natur – alleine oder mit Freund:innen. Ich bin dann mit dem Fahrrad unterwegs, gehe Nordic Walken oder am Wochenende auch mal zum Wandern. Da komme ich runter«, erzählt sie.

CORINA MARRÉ, RÖNTGEN-ASSISTENZ
Für Corina Marré brachte das Jahr 2020 viel Neues: Nach ihrer Elternzeit war sie auf der Suche nach einem Job, der sich mit ihrer Familie vereinbaren ließ und wurde beim Passauer Wolf fündig. Nach einer kurzen Zeit im Service ergab sich die Chance in die Röntgenabteilung zu wechseln, was auch besser zu ihrer ursprünglichen Ausbildung als Zahnarzthelferin mit Röntgenschein passt. Nahezu zeitgleich eröffnete sie ihren eigenen Brautmodenladen. »Das mag erstmal nach einer wilden Mischung klingen, aber für mich passen beide Jobs perfekt. Mein Tagesablauf ist gespickt mit den Herausforderungen und Freuden beider Welten.« Die Idee für den Laden hatte sie nach einem enttäuschenden Brautkleid-Kauf schon länger. Sie möchte anderen Bräuten helfen, nachhaltige und budgetfreundliche Optionen zu finden und hat dafür mit ihrer Boutique einen wunderbaren Platz geschaffen. Wie es ihr gelingt, beide Jobs und ihre Familie mit zwei Kindern unter einen Hut zu bekommen, fragt sie sich selbst manchmal. Aber es geht – sehr gut sogar. »Körperlich sind die Tätigkeiten sehr unterschiedlich, deshalb gleiche ich das bei der Arbeit aus. Den Geist belebt mein Zuhause und meine Familie. Wir sind ganz viel draußen und lieben den Garten. Und außerdem schwingt in beiden Jobs so viel Positives mit. Die meisten Patient:innen kommen gerade wieder auf die Beine, sehen den Erfolg und freuen sich nach einem langen Genesungsweg auf Zuhause. In der Boutique freut sich jede Braut riesig auf ihren Tag und betritt mit einem Lächeln den Brautmodenladen. Das sind die Dinge, die guttun. Somit brauche ich meistens nichts loszulassen«, erklärt Corina Marré.

NADINE KEMPE, PATIENTENMANAGEMENT
Nadine Kempe ist Cosplayerin. Der Begriff »Cosplay« setzt sich aus den Wörtern »Costume« für Kostüm und »Play« für Spielen zusammen. Cosplayer:innen verwandeln sich mithilfe von Kostümen, Masken und Accessoires in bestimmte Figuren aus Animes, Mangas, Videospielen, Comics oder Filmen und versuchen, deren Verhalten originalgetreu zu imitieren. Was Nadine Kempe heute begeistert, begann eher zufällig mit dem Besuch einer Japan-Anime-Messe. »Meine Freund:innen waren damals bereits Cosplayer:innen und fragten mich, ob ich mich für die Messe nicht auch verkleiden möchte. Ich dachte mir: Warum nicht? Es sah nach Spaß aus. Und es war tatsächlich eine tolle Erfahrung. Normalerweise bin ich eher schüchtern und falle nicht gerne auf. Mit einem Kostüm ist das anders – dann traue ich mich, mit Farben und Make-up-Techniken zu experimentieren«, erklärt sie den Beginn ihrer Leidenschaft. Am meisten gefällt ihr der Prozess der Verwandlung von Nadine zum fertigen Cosplay, wozu das Aussuchen des Charakters, das Finden des richtigen Kostüms samt Perücke und das Tüfteln am Make-up gehört. »Beim Cosplay vergesse ich meinen Alltag und Probleme sind dann weit weg. Ich bin so beschäftigt, dass ich keine Zeit habe, an etwas anderes zu denken. Die Community ist außerdem voll von herzlichen, lieben und extrem talentierten Menschen«, beschreibt Nadine Kempe, wie ihr Hobby ihr hilft, den Alltag loszulassen. Durch Cosplay ist sie zudem offener im Umgang mit Fremden geworden und versucht viel bewusster, Menschen nicht in Schubladen zu stecken. Ihre nächste Reise widmet sie in Japan den Wurzeln der Popkultur. Wer neugierig ist, erhält auf Nadine Kempes
Instagram-Kanal »chikage_Cosplay« einen Einblick in ihre Verwandlungskünste.

RAMONA FELGENTREU, REHA-ASSISTENZ
Vor zehn Jahren begann Ramona Felgentreu mit Nordic Walking – um abzuschalten, Bewegung in den Alltag zu integrieren, aber auch, um Zeit für sich selbst zu finden. Was sanft begann, hat sich zu einer Liebe zum Laufen entwickelt. Inzwischen hat sie zahlreiche Halbmarathons gemeistert, trainiert für einen Marathon, der noch 2025 ein Ziel von ihr ist und steckt mitten in den Superhalfs, die sechs Halbmarathons in sechs Städten in sechs verschiedenen Ländern beinhalten. »Zu Beginn dachte ich, einen Halbmarathon schaffe ich nie. Das war mir erstmal zu viel. Aber dann habe ich mir immer neue Ziele gesetzt. Und inzwischen fehlt mir ohne Laufen etwas. Auch wenn es mir an manchen Tagen schwerfällt, fühle ich mich danach befreiter und energiegeladener«, erklärt Ramona Felgentreu. Beim Laufen bekommt sie den Kopf frei, lässt den Alltag los – und sie hat gelernt, mit Grenzen anders umzugehen, sie manchmal zu akzeptieren und auch mal darüber hinauszuwachsen. Das macht stärker. »Früher habe ich das Laufen um meinen Alltag herum organisiert. Heute lege ich Termine oder Treffen mit Freund:innen nach Möglichkeit auf Nicht-Lauftage«, macht sie den Stellenwert ihrer Leidenschaft deutlich. Aber eines verliert Ramona Felgentreu dabei nie aus den Augen: »Gesund ins Ziel zu kommen! Auch wenn ich stets mitnehme, was geht, steht meine Gesundheit immer an erster Stelle.«
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