Gelebte Nachhaltigkeit im Alltag — kann das funktionieren? Vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Passauer Wolf erzählen von ihrem ganz eigenen Ansatz, die Welt um sie herum ein Stückchen nachhaltiger zu gestalten. Sie verraten, was den Stein ins Rollen gebracht hat, berichten von ihren größten Erfolgserlebnissen, aber auch von inneren Konflikten und unüberwindbaren Hürden. Dabei wird deutlich: Wer ins kalte Wasser springt, taucht in ein Meer aus Möglichkeiten.
STEFANIE BUTZ, LEITUNG REHA-ASSISTENZ (Bild oben)
»Umweltschutz liegt mir schon seit meiner Kindheit am Herzen«, erinnert sich Stefanie Butz. Schon im Kindergarten und in der Schule eignete sie sich einen wertschätzenden Umgang mit der Natur an, auf den sie bis heute großen Wert legt. Entwicklungen in den letzten Jahren ließen sie nachdenklich werden: Achtlos weggeworfener Müll in der Natur, unnötigerweise in Plastik verpackte Lebensmittel im Supermarkt, der Trend zu billig produzierter Wegwerf-Kleidung – ihr wurde bewusst, dass sie aktiv werden musste. Anfang 2020 dann die unverhoffte Chance: Eine Familie in ihrem Wohnort gründete die Umweltgruppe »Cleanup Langquaid«. Stefanie Butz machte sofort Nägel mit Köpfen: »Ich bin gleich beigetreten – da musste ich nicht lange überlegen.« Zusammen mit Gleichgesinnten nimmt sie seitdem regelmäßig an Müll-Sammelaktionen teil, an einem monatlichen Stammtisch, gemeinsamen Workshops und Ausflügen, zuletzt z.B. in das neu eröffnete Nachhaltigkeitsmuseum in Straubing. »Ich bin stets an der frischen Luft, betätige mich körperlich und lerne viel Neues kennen. Jede unserer Sammelaktionen bietet die Möglichkeit, sich auszutauschen und gemeinsam die Welt etwas zu verbessern, das ist ein starkes Gefühl!«, erzählt sie uns. Einige Denkanstöße aus der Umweltgruppe »Cleanup Langquaid« hat Stefanie Butz mittlerweile auch in ihr tägliches Leben übernommen: Lebensmittel kauft sie bevorzugt zu Fuß und unverpackt ein, zum Bäcker nimmt sie grundsätzlich einen eigenen Brotbeutel mit, Reinigungsmittel stellt sie selbst aus umweltfreundlichen Produkten her und Kleidung kauft sie nur noch sehr bewusst ein, indem sie sich über die verwendeten Rohstoffe und die Herstellungsbedingungen informiert. Noch keine Lösung hat sie bisher für eine ihrer großen Leidenschaften gefunden: das Reisen. »Ich bin sehr gerne unterwegs, aber die Möglichkeiten von Bus und Bahn sind leider oft sehr begrenzt oder unverhältnismäßig teuer«, erklärt sie ihr Dilemma. »Deshalb versuche ich, bei der Urlaubsplanung immer einen Mittelweg zu finden. Denn ich bin der Meinung, dass man die Welt nur bewegen kann, wenn man sich aktiv in ihr bewegt, sie anschaut, spürt und dadurch erst richtig versteht.«

TIM JAGER, TEAMLEITUNG NEUROPSYCHOLOGIE
Hand aufs Herz: Wie lange würden Sie ganz ohne Auto auskommen? Einen Tag, drei Tage, oder würden Sie sich zutrauen, mit viel Disziplin vielleicht sogar eine ganze Woche zu schaffen? Tim Jager lebt schon immer ohne Auto. Für ihn war das eine bewusste Entscheidung: »In der Mobilität sehe ich für mich persönlich das größte Potential, meinen Alltag nachhaltig zu gestalten. Die negativen Auswirkungen eines Autos auf die Umwelt – Produktionskosten, Straßenbau, Treibstoff, Abgase – sind allgemein bekannt. Fahrrad und öffentlicher Nahverkehr sind die deutlich umweltschonenderen und günstigeren Varianten.« Für einen naturverbundenen Menschen wie Tim Jager hat das autofreie Leben darüber hinaus einen klaren Vorteil: »Auf dem Fahrrad komme ich mit meiner Umwelt auf eine viel intensivere Art und Weise in Berührung als mit dem Auto«, erklärt er. »Es kommt zum Beispiel schon einmal vor, dass mir auf meinem Weg in die Klinik auf einem nahegelegenen Feld ein paar Rehe oder Hasen begegnen. Momente wie diese würde ich im Auto einfach verpassen.« Vor größere Probleme stellte ihn anfangs vor allem das Einkaufen. »Bevor ich über den Passauer Wolf ein Lastenrad geleast habe, musste der Wocheneinkauf zu Fuß mit einem Bollerwagen erledigt werden. Bei Regen hat sich der Spaß sehr in Grenzen gehalten. Seit wir das Lastenrad haben, geht es deutlich leichter. Gleichzeitig ist es nun auch einfacher, spontan einen kleinen Familienausflug zu unternehmen. Einfach Kinder rein und los.« Nachhaltigkeit ist für Tim Jager eine Lebenseinstellung, die über die Frage »Auto oder kein Auto« weit hinausgeht. Um seinen ökologischen Fußabdruck klein zu halten, achtet er im Alltag auf eine möglichst pflanzliche Ernährung aus regionalen Produkten. Und beim Kauf von Kleidung und Elektrogeräten setzt er auf Second-Hand oder Produkte aus fairer Herstellung. »Da eine nachhaltige Verhaltensweise einen zentralen Wert für mich darstellt, beeinflusst sie nahezu jede Entscheidung in meinem Leben«, erklärt er uns.

JULIA OSTERMEIER, ASSISTENTIN DER GESCHÄFTSLEITUNG
Um ihr Leben nachhaltiger auszurichten, hat Julia Ostermeier bereits einige Verhaltensweisen umgestellt: Statt ins Auto steigt sie so oft wie möglich aufs Fahrrad, sie kauft bevorzugt hochwertige und regionale Lebensmittel und nutzt Online-Verkaufsportale, um ausgedienten Gegenständen wie Kleidung und Haushaltsgeräten ein zweites Leben zu schenken. Ihr Wille, noch mehr zu leisten, ist groß. Doch in der Praxis stößt sie immer wieder an ihre Grenzen: »Um Verpackungsmüll zu sparen, würde ich gerne regelmäßig im Unverpackt-Laden einkaufen, aber der einzige Laden dieser Art liegt am anderen Ende der Stadt und es ist schlichtweg zu teuer – vor allem, wenn man Familie hat. Und die durch die Inflation massiv steigenden Preise machen es mir nicht leicht, ausschließlich auf hochwertige und regionale Produkte zu setzen«, erklärt sie. Aus eigener Erfahrung sieht sie vor allem im Bereich der Mobilität noch viel Änderungsbedarf. »Als ich vor einigen Jahren noch auf dem Land gelebt habe und gependelt bin, waren die Öffentlichen teurer als das Autofahren und ich wäre bis zu zwei Stunden am Tag unterwegs gewesen. Die für mich einzige nachhaltige Alternative war damals, die insgesamt 80 Kilometer zur Arbeit und zurück – zumindest im Sommer – mit dem Fahrrad zu fahren. Hier muss noch viel getan werden.« Trotz aller Herausforderungen bleibt Julia Ostermeier am Ball und entscheidet sich oft bewusst gegen den komfortablen Weg. Wie gelingt ihr das? »Ich greife mir immer wieder an die eigene Nase und diszipliniere mich, meine nachhaltigen Vorhaben trotz der Hürden umzusetzen«, erklärt sie. »Dokus und Reportagen über die Zustände in der Massentierhaltung und über die weltweite Müll-Problematik helfen mir dabei, mich immer wieder daran zu erinnern, wie wichtig es ist, unsere Verhaltensweisen zu überdenken. Das stärkt meine Willenskraft und Motivation.«

CHRISTOPH GÖTZ, REDAKTEUR UNTERNEHMENSKOMMUNIKATION
»Noch vor wenigen Jahren hätte ich mir nicht im Traum vorstellen können, mich jemals auch nur vegetarisch zu ernähren«, erinnert sich Christoph Götz. »Ich war bekennender Fleischesser. Vegan lebende Menschen habe ich früher als Wichtigtuer abgestempelt.« Vor rund drei Jahren dann das Umdenken: »Bei meiner damaligen Arbeit als Redakteur für ein Lifestyle-Magazin kam ich immer mehr mit nachhaltigen Themen in Berührung. Ich schrieb Artikel über nachhaltige Gruppierungen und lernte inspirierende Menschen kennen, die sich aktiv für den Erhalt der Umwelt einsetzten. Mir wurde bewusst, dass auch ich meinen Beitrag für den Umweltschutz leisten wollte«, erzählt er. Seine Entscheidung fiel auf die Ernährung, da er hier das größte Potential für sich sah, an einem positiven Wandel mitzuwirken. Zusammen mit seiner Partnerin, die bis heute seine größte Motivationshilfe ist, stellte er seine Ernährung allmählich um – zuerst auf vegetarisch und nach einem halbjährigen Testlauf auf vegan. Mittlerweile bedeutet der Veganismus kaum noch Verzicht für ihn. »Vegan zu leben heißt zwangsläufig kreativ zu werden, viel selbst zu kochen und sich sehr intensiv mit Geschmackswelten und Aromen zu beschäftigen. Mich auf diese Weise ständig weiterzuentwickeln und jeden Tag etwas Neues zu lernen, macht mir sehr viel Spaß.« Die größten Nachteile erlebt er vor allem beim Essengehen in Restaurants: »Das vegane Angebot in Restaurants wächst zwar immer mehr. Trotzdem ist die Auswahl – gerade hier in Ingolstadt – noch sehr limitiert. Ich würde mir wünschen, dass mehr Restaurants sich trauen, vegane Gerichte in ihr Angebot aufzunehmen und schon in der Kochausbildung mehr Fokus auf die Zubereitung von veganen Speisen gelegt wird.«
Bildnachweis: Berli Berlinski