Gemäß dem Statistischen Bundesamt ist die Zahl der Über-65-Jährigen seit 1991 von 12 Millionen auf 18,4 Millionen im Jahr 2021 deutlich gestiegen. Weil die Personenzahl bei jüngeren Geburtenjahrgängen sinkt, stellen die Über-65-Jährigen zugleich einen immer größeren Anteil an der Gesamtbevölkerung dar.
DIE »ALTEN« GIBT ES NICHT
Immer noch ist unsere Gesellschaft von negativen Altersstereotypen durchzogen, von der Vorstellung schwindender Kräfte, vom Verlust der Attraktivität, der Selbstständigkeit, vom gesellschaftlichen Rückzug. Doch scheinen immer mehr »junge« Alte gegen solche Negativbilder Resilienz aufzubauen. Sie entdecken die Vorteile, die in den späteren Lebensjahren liegen, genießen die neue Freiheit nach dem Berufsausstieg, prägen unterschiedliche, individuelle Lebensstile aus, nehmen ihre Gesundheit ins Visier, verfolgen verschiedenste Interessen, engagieren sich in der Familie oder ehrenamtlich in Verbänden oder Organisationen, bringen ihre Erfahrungen ein. Kurz: Sie gestalten ihr Leben aktiv, nach ihren individuellen Bedürfnissen. Altersforscher:innen sprechen von einer äußerst heterogenen Gruppe. Die Gruppe der Alten gibt es nicht.
COOL MIT 65
Heute leben wir beinahe zehn bis zwölf Jahre länger als unsere Eltern (Tendenz steigend) und bleiben dabei gesünder. Mick Jagger tobt noch mit 80 Jahren über die Bühnen, die 85-jährige Claudia Cardinale ist als UNESCO-Sonderbotschafterin für die Rechte benachteiligter Frauen unterwegs und Harrison Ford hat mit 78 sein fünftes Indiana-Jones-Abenteuer verwirklicht. Natürlich sind das Einzelbeispiele (die sich beliebig erweitern lassen). Tatsächlich sind 65-Jährige heute vitaler, cooler und weltoffener als jemals zuvor. Frauen dieses Alters dürfen – wenn sie Lust haben – den Rocksaum über dem Knie tragen oder mountainbiken. Das wäre in der Generation unserer Eltern nicht vorstellbar gewesen.
EIN PROJEKT FÜR PIONIER:INNEN
Trotz nachhaltiger Veränderungen gibt es kaum neue Modelle für das Älterwerden. Doch genau die älteren Menschen sind es, die sich bei der Entwicklung neuer Lebenskonzepte und Wohnformen beteiligen wollen, sie wollen Verantwortung übernehmen und Sozialräume mitgestalten. Erstmals haben nun Senior:innen die Möglichkeit, Gestalter:innen ihres eigenen Alterns zu werden. Die subjektiv gefühlte Verjüngung einer alternden Gesellschaft ist ein Projekt für Pionier:innen!
DAFÜR STATT DAGEGEN
Eine Leistungsgesellschaft stellt Werte zentral, die sich um Macht, Kraft, Schnelligkeit oder Wettbewerb drehen. Das Älterwerden braucht dann »Anti-Aging«. Ist es nicht endlich an der Zeit, diese ausschließlich an der Jugend orientierten Gesellschaftsbilder in Frage zu stellen? Und dem »Pro-Aging« die Tür zu öffnen? Der Zukunftsforscher Matthias Horx schreibt »Die Pro-Aging-Gesellschaft lebt von der Aufwertung und Wiederentdeckung der Altersweisheit, von der Anzapfung des krisenerprobten, mit existenzieller Erfahrung angereicherten Lebens- und Weltwissens der Alten.«
ALTERN IST UNVERMEIDLICH
Auch wenn sich heute vor die Phase des Alterns die Etappe der »Jungen Alten« geschoben hat, – der Zeitpunkt, an dem die Kräfte schwinden, kommt unvermeidlich. Wenn basale Funktionen, der Gehör- oder Sehsinn, Gedächtnis und Reaktionsfähigkeit nachlassen, wenn ein selbstbestimmtes Leben nicht mehr möglich ist, dann ist es wichtig, Spezialist:innen um sich zu wissen. Ein Team, das sich kümmert. Um moderate körperliche Bewegung, eine gesunde Ernährung, erholsamen Schlaf, medizinische Hilfe, um sozialen Austausch. Ein Team, das Lust macht, vielleicht etwas Neues zu lernen. Zum Beispiel Trommeln.
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