Markus Pirzer führt ein Leben mit Morbus Parkinson. Mit viel Aktivität und einem offenen Umgang schafft er es, die unheilbare Krankheit auszubremsen. Seine Geschichte ist ein Plädoyer für Offenheit, Lebensfreude und die transformative Kraft der Bewegung.
Ein sonniger Tag in Kelheim in der Nähe von Regensburg, das traditionelle 24-Stunden-Radrennen ist in vollem Gang. Die Stimmung ist ausgelassen, gut gelaunte Zuschauer:innen am Streckenrand feuern lautstark ihre Favorit:innen an. Mitten im Teilnehmerfeld befindet sich auch Markus Pirzer, auf seinem Rennrad fährt er mit den anderen Hobby-Athlet:innen um die Wette. Was keiner der Zuschauer auf den ersten Blick erahnt: Der 47-jährige Familienvater leidet seit einigen Jahren an der unheilbaren Krankheit Morbus Parkinson. Den einzigen sichtbaren Hinweis darauf verrät sein Trikot: Auf dem Rücken prangt der Schriftzug »Strong 4 Parkinson« – also »stark für Parkinson«. Dieses Lebensmotto ist es, das ihm die nötige Kraft gibt, die schwere Erkrankung in Schach zu halten, eine positive Einstellung zu bewahren und optimistisch in die Zukunft zu blicken. Und dieses Lebensmotto ist es auch, das es ihm erlaubt, trotz der Krankheit regelmäßig sportliche Höchstleistungen zu vollbringen.
»SPORT IST MEIN STROHHALM«
Markus Pirzers tägliche Routinen sind von Aktivität geprägt. Bewegung ist sein Ventil und seine wichtigste Kraftquelle zugleich. Ob beim Tennis mit seinen Mannschaftskollegen, bei der sonntäglichen Nordic Walking-Runde mit Freunden oder beim abendlichen Abstecher ins Fitnessstudio – Markus Pirzer hat im Sport sein Lebenselixier gefunden, sein persönliches Mittel gegen die Krankheit. »Ich weiß, dass Parkinson sich noch nicht heilen lässt«, erklärt er. »Aber ich werde alles dafür tun, diese Krankheit so lange wie möglich hinauszuzögern. Der Sport ist für mich nicht nur Bewegung, sondern eine Art Therapie. Ich klammere mich an diesen Strohhalm und spüre, wie meine Lebensqualität davon profitiert.«
GEWAPPNET FÜR DIE ZUKUNFT
Priv.-Doz. Dr. med. Franz Marxreiter, Leitender Oberarzt im Passauer Wolf Bad Gögging, bestätigt die positiven Auswirkungen von Sport und Aktivität auf Parkinson-Patient:innen: »Bei Morbus Parkinson hilft viel Bewegung. Sei es zu Fuß, auf dem Rad oder am Trainingsgerät. Je aktiver man in jungen Jahren ist, desto größer ist das Fitnesspolster, von dem man später in schlechten Zeiten zehren kann. Sport löst außerdem Glücks- und Erfolgsgefühle aus. Diese positiven Gefühle fördern das emotionale und mentale Polster, das zusätzlich zur Fitness wichtig für Betroffene ist, um der Krankheit die Stirn bieten zu können.«
GEMEINSAM GEGEN PARKINSON
Markus Pirzer geht offen mit seiner Erkrankung um. Als Reaktion erhält er ein beeindruckendes Ausmaß an Unterstützung. So haben seine Mannschaftskollegen im Tennisverein etwa ein Trikot erstellt, das auf die Krankheit hinweist und Zusammenhalt beweist. Auch im Beruf wird ihm Verständnis entgegengebracht. Als er seinem Chef mitteilte, dass er seinen alten Job aufgrund seiner Diagnose nicht mehr ausüben könne, bot dieser ihm umgehend einen neuen Posten an, den er bis heute in Vollzeit ausübt. Indem er die Erkrankung nicht versteckt, offen damit umgeht und sie nach außen trägt, schafft er es, andere Menschen in ähnlicher Situation zu inspirieren und ihnen Mut zu spenden. »Ich möchte andere Betroffene motivieren und zeigen, dass man auch mit Parkinson ein gutes Leben führen kann. Die Diagnose ist natürlich nicht schön, aber auch kein Weltuntergang«, erklärt er.
EINE ERSCHÜTTERNDE DIAGNOSE
Dass mit seinem Körper etwas nicht stimmt, hat Markus Pirzer zum ersten Mal vor etwa fünf Jahren gespürt. »Ich war gerade auf Reha wegen eines Bandscheibenvorfalls, als ich merkte, dass mein linker Arm herunterhängt. Ein typisches Anzeichen für Parkinson. Die ersten Tests waren negativ. Erst ein DATScan – eine Untersuchungsmethode, die Dopamintransporter im Gehirn bildlich darstellt – hat die Wahrheit ans Licht gebracht.« Was geht einem in diesem Moment durch den Kopf? »Mein ganzes Leben ist vor meinen Augen zusammengebrochen«, erzählt Pirzer. »Ich bin nach Hause zu meiner Frau gefahren und habe einfach nur geweint. Meine Familie und Freunde haben mir Beistand geleistet. Noch am ersten Abend habe ich mich im Internet ausführlich über Parkinson informiert, mir alle möglichen Verläufe und Szenarien angesehen. Diesen Fehler habe ich danach nie wieder gemacht, das zieht mich zu sehr runter.«
Ein besonderer Patient
Im Gespräch mit Priv.-Doz. Dr. med. Franz Marxreiter, Leitender Oberarzt Neurologie im Passauer Wolf Bad Gögging:
»Herr Pirzer hatte bereits vor seiner Reha ein hohes sportliches Niveau. Die stationäre Reha im Passauer Wolf hilft ihm dabei, einzelne Aspekte punktuell zu verbessern – zum Beispiel auf unserem Gleichgewichtstrainer, der Übungen ermöglicht, die man privat nicht umsetzen kann. Außerdem zeigen wir ihm, wie er mithilfe von Entspannungsübungen in stressigen Situationen emotional die Kontrolle wahrt und so Tremores verhindert. Denn Anspannung verstärkt die parkinsontypischen Bewegungsstörungen. Für Menschen, die noch im Beruf stehen, ist die emotionale Entlastung deshalb sehr wichtig. Dass Herr Pirzer offen mit seiner Erkrankung umgeht, sorgt zusätzlich für Entlastung. Leider erleben wir oft das Gegenteil: Betroffene haben Scham- und Schuldgefühle, verschließen sich und sorgen so für eine Verschlechterung ihres Allgemeinzustands. Für die Zeit nach der Reha geben wir Herrn Pirzer Übungen an die Hand, wie etwa Flexibilitätsübungen, die das Krafttraining ergänzen und Übungen aus der Sprachschule, die dafür sorgen, dass die Gesichtsmuskeln flexibel bleiben.«
DER SPÄTE WEG ZUR REHA
Die Entscheidung, eine Reha zu machen, schob er einige Jahre vor sich her. »Ich ließ mich in Regensburg ambulant behandeln und hatte keine schwerwiegenden Probleme im Alltag. Deshalb habe ich mein Leben ganz normal weitergelebt.« Doch dann passierte etwas, das ihn zum Umdenken brachte. Es war ein Tag im März 2023, Markus Pirzer war mit seiner Familie im Skiurlaub. »Ich war auf der Piste unterwegs, als ich mich plötzlich nicht mehr bewegen konnte. Mein Kopf war blockiert. Mein ganzer Körper wie gelähmt. Meine Familie musste mich stützen. Ich habe eine Stunde gebraucht, um von der Piste herunterzukommen. Ich war verzweifelt. Das war mein absoluter Tiefpunkt. Auf das Drängen meiner Frau hin habe ich beschlossen, endlich eine Reha zu machen.«
ERFOLGE FEIERN
Die dreiwöchige Reha im Passauer Wolf Bad Gögging brachte Erfolge.Die Muskelanspannung auf der linken Körperseite konnte durch die aktivierende Therapie reduziert werden. Die Gleichgewichtskontrolle mit dem linken Bein hat sich verbessert. Die mimische Flexibilität beim Reden hat wieder zugenommen. »Die drei Wochen sind wie im Handumdrehen vergangen. Alle Therapeut:innen und Mediziner:innen haben es mir mit ihrer offenen Art leicht gemacht, am Ball zu bleiben. Ich habe sogar einige neue Freunde gefunden, mit denen ich auch nach der Reha Kontakt halten möchte.«
»ICH LEBE IM MOMENT«
Morbus Parkinson ist eine voranschreitende Krankheit, die zwar medikamentös gut einstellbar ist, aber nicht aufgehalten werden kann. Da die Krankheit so komplex ist und die Symptome sich von Patient:in zu Patient:in unterscheiden, lässt sich nur schwer eine Prognose stellen. Wie geht man mit dieser ständigen Ungewissheit um? »Anfangs war es schwer. Mittlerweile bin ich entspannter geworden. Ich lebe mein Leben sehr bewusst und genieße jeden Moment. Mit dem regelmäßigen Sport tue ich das, was mir möglich ist, zerbreche mir darüber hinaus aber nicht den Kopf über die Zukunft oder was einmal sein könnte. Das Leben ist einfach viel zu schön. Auch mit Parkinson.«
Bildnachweis: Christoph Götz