LILIA MILCHIN, PFLEGE (Bild oben)
Auch Lilia Milchin hat das Ausmaß der Pandemie erst einmal unvorbereitet getroffen. Die Unsicherheit machte sich in ihrem Familien- und Freundeskreis bemerkbar: »Als sie erfahren haben, dass ich auf der Isolierstation arbeite, waren sie geschockt. Sie hatten definitiv Berührungsängste. Ich musste ein wenig Aufklärungsarbeit leisten, dann legte sich die Angst wieder.« Die ersten Tage auf der Station waren anstrengend. »Abläufe mussten anders organisiert werden. Manches war anfangs ein wenig umständlicher.« Doch selbst mit den optimierten Behandlungsabläufen auf der Station konnte nicht jeder der schwerkranken Patienten diese wieder gesund verlassen. Der Tod ist bei einer schweren COVID-19-Infektion leider ein steter Begleiter. »Der erste Todesfall hat mich hart getroffen. Schließlich haben auch wir eine enge Beziehung zu den Patienten aufgebaut. Da fragt man sich natürlich, ob das ab jetzt öfter Bestandteil des Arbeitsalltags wird.« Am Ende eines langen Arbeitstages war es nicht immer einfach, die Anspannung wieder loszuwerden. »Ich habe sehr lange geduscht. Dann bin ich an die frische Luft gegangen und habe erstmal eine Weile mit niemandem gesprochen.«
»Was erwartet mich hinter der Tür? Komme ich gesund wieder heraus?«
Der leitende Gedanke war, dass ich Arzt bin, dass wir alle jetzt nur Ärzte sind, unabhängig von der sonstigen Fachrichtung, und dass ich meinen Beitrag leisten möchte und muss.
DR. MED. LARS BIESEKE, OBERARZT HNO-PHONIATRIE
Zwei Momente haben den Anfang der Pandemie für Dr. Lars Bieseke geprägt: Der letzte Konzertbesuch Anfang März und die Bekanntgabe der Kontaktbeschränkungen. »Ich war erleichtert. Denn angesichts steigender Infektionszahlen und der Bilder aus Italien war ich, wie viele Ärzte, besorgt.« Sich für den Einsatz auf der Station zu melden, war für ihn selbstverständlich: »Es war entscheidend, dass mein Mann meinen Entschluss, mich für die Isolierstation zu melden, mitgetragen hat. Er arbeitet selbst im Gesundheitswesen und wir sind uns deshalb unserer besonderen Verantwortung in dieser Situation bewusst.« Einer Verantwortung, die sich auch im Umgang mit den Patienten widerspiegelt. »Es gab mit jedem Patienten ein Erlebnis, das mir im Gedächtnis bleiben wird: Nämlich der Moment, wenn ich dem Patienten mitteilen konnte, dass COVID-19 nicht mehr nachweisbar ist und er die Isolierstation verlassen kann. Diesen Moment der Erlösung und Freude teilen zu dürfen, ist etwas ganz Besonderes. Ich habe eine große Achtung vor jedem einzelnen Patienten empfunden. Davor, mit welcher inneren Kraft diese die wochenlange Isolation durchgestanden haben. Das macht demütig und dankbar für das eigene Leben.«
MAXIMILIAN SCHWARZ, PHYSIOTHERAPEUT
Durch einen Freund aus Shanghai wurde Maximilian Schwarz schon früh auf die sich anbahnende Pandemie aufmerksam. »Kurz darauf sah ich in den sozialen Medien die Bilder aus Bergamo. Ab diesem Zeitpunkt stand für mich fest auch zu helfen – in welcher Form auch immer.« Die Arbeit auf der Isolierstation stellt ihn vor noch nie dagewesene Herausforderungen. Und vor neue Blickwinkel: »Im kleinen Team konnten wir Therapieziele optimal interdisziplinär besprechen und umsetzen, was den isolierten Patienten sehr zugutekam – körperlich und psychisch.« Und wie vermittelt man Nähe, wenn man komplett in Schutzkleidung verhüllt ist? »Die Sprache und Gestik wird viel wichtiger. Es ist irgendwie so, als ob man in einem Land lebt, dessen Sprache man nicht spricht, sich aber trotzdem versucht zu verstehen.« Trotz dieser Hindernisse in der Kommunikation gab es erstaunliche Geschichten zu erzählen: »Eine Patientin hat den Ausbruch des Typhus Ende des zweiten Weltkriegs miterlebt. Als junges Mädchen hat sie in einem Hospital Typhus-Kranke versorgt. Sie hätte sich aber nicht erträumen lassen, dass sie selbst eines Tages erneut eine ähnliche Situation erleben muss.«
Angst ist in diesem Fall kein guter Ratgeber. Angst kann wie eine Barriere sein, deshalb spreche ich eher von Respekt vor der Situation und der Arbeit am Patienten.
Zusammenhelfen und aufeinander aufpassen – das ist das Gebot der Stunde. Auch über die Pandemie hinaus.
BETTINA FEDERHOLZNER, HAUSWIRTSCHAFT
Für Bettina Federholzner war die Pandemie – wie für viele von uns – erst einmal nur ein abstraktes Problem. In ihrem privaten Umfeld hatte sich zum Glück niemand angesteckt. Der Einsatz auf der Isolierstation machte die Situation dann sehr schnell sehr viel greifbarer: »Als ich das erste Mal die Schutzkleidung angezogen habe, war es für mich erstmal ungewohnt und umständlich. Aber sie ist natürlich absolut notwendig, um sich vor einer Ansteckung zu schützen. Mit der Zeit gewöhnt man sich daran, dann ist es einfach Teil der Routine.« Die Zusammenarbeit im interdisziplinären Team erlaubte es ihr, auch mal über den Tellerrand zu blicken. »Auf der Isolierstation haben Menschen miteinander gearbeitet, die sonst nicht direkt zusammenarbeiten. Man hilft sich dann gegenseitig und macht auch mal mehr, als in das eigene Aufgabengebiet fällt.« Und auch mit den Patienten konnte Bettina Federholzner eine besondere Verbindung aufbauen: »Unvergesslich ist für mich der Geburtstag einer Patientin. Wir hatten auf der Station einige sehr schwere Fälle. Zu sehen, wie sie die Krankheit überwindet und wir dann mit ihr diesen besonderen Tag teilen durften, hat mich motiviert.«
Bildnachweis: Berli Berlinski