Ein Projekt während der Ausbildung unserer Altenpflegerinnen wehte Hollywoodflair durch die Hallen des Passauer Wolf: Helene Seibel und Tamara Melan fotografierten unsere Senioren in Kostümen der 20er- bis 80er-Jahre – und sorgten so für viel Spaß im Passauer Wolf Senioren-Zentrum Nittenau.
Marianne Heimerl, 80, Näherin im Ruhezustand (Bild oben)
Marianne Heimerl war als frühere Näherin immer sehr modebewusst. Deshalb wurde sie als eine der ersten Bewohnerinnen im Passauer Wolf gefragt, ob sie für das Schulprojekt als Fotomodell zur Verfügung stehen möchte. Helene Seibel, eine der beiden Initiatorinnen des Fotoprojekts, erzählt: »Frau Heimerl ist gemeinsam mit ihrem Mann bei uns im Passauer Wolf. Vielleicht achtet sie deshalb immer noch auf ihr Äußeres und trägt gerne Halstücher. Deswegen haben wir uns sehr gefreut, dass sie so begeistert von unserem Projekt war. Sie musste sich irgendwie gar nicht verkleiden, sondern sich eher an ihr früheres Selbst erinnern. Und sie hat die Sache doch ganz wunderbar gemacht, wie eine Filmdiva sieht sie aus.« Frau Heimerl selbst war begeistert, dass sie ausgewählt wurde: »Ich wurde immer schon gerne fotografiert und mochte es sehr, vor der Kamera zu posieren. Es war so ein schönes Gefühl, mal wieder geschminkt zu werden und so elegant zurecht gemacht zu sein. Ich denke gerne daran zurück, wie viel Spaß es gemacht hat, sich so schön herauszuputzen. Es sind warme, positive Erinnerungen, die die Bilder bei mir wachrufen, und ich bin stolz auf die Fotos.«
»Es sind schöne Erinnerungen, die da hochkommen. Ich fühle mich ein bisschen ‚Vom Winde verweht‘…«
Franz Mroz, 93, Früherer Missionar, Pfarrer und Lehrer
Herr Mroz hat sich für das Fotoprojekt wie ein Mafioso verkleidet. Dabei ist er eigentlich das Gegenteil: Der Berliner empfing die Priesterweihe in Belgien, hat 13 Jahre lang als Missionar in Südamerika gearbeitet und selber in Hemdsärmeln Kirchen aufgebaut. Später war er Krankenhausseelsorger, Religionslehrer, wirkte im pastoralen Dienst und in der Diözese in Augsburg. Nun aber hat er den »Godfather« einmal ganz anders interpretiert: »Ich fand mich sehr schick und habe mich danach zwei Tage lang noch so verkleidet wie auf dem Bild. Mein Foto gefällt mir sehr gut, ich hab’ es in mein Zimmer gehängt, allein wegen der schönen Erinnerung an die Fotosession. Mir hat es sehr gefallen, von meinen beiden Damen so umhegt und umsorgt zu werden«, schmunzelt er. Und weil er Missionar und Lehrer war und das Lehren als Passion und Beruf gewählt hatte, fragten wir ihn auch gleich, was die jungen Menschen von den Alten lernen können: »Junge Leute sollten zufriedener mit sich selber sein. Und geduldiger mit sich und mit den anderen. Dann wird das Leben so viel leichter und schöner. «
»Clark Gable oder Erroll Flynn? Vielleicht aber auch einfach ‚Der Pate‘…«
Wolfgang Heinrich, 65, früherer Postbote
Als Postbote in Nittenau war Wolfgang Heinrich bekannt wie ein bunter Hund. Auch weil er sich über 30 Jahre lang im Automobilclub Nittenau engagierte. Er organisierte Rennen, Faschingsbälle, Rosenmontagsauftritte und Gaudirallyes. Als ihn mit 62 Jahren eine schwere Nervenkrankheit dazu zwang, seine große Wohnung aufzugeben und zu uns in den Passauer Wolf zu ziehen, ließ er sich nicht unterkriegen. Er bezog seinen Rollstuhl in Ferrari-Rot und gründete im Passauer Wolf eine Gruppe, die Menschen mit Behinderung hilft, zusammenzukommen: Gemeinsame Ausflüge mit einem rollstuhltauglichen Bus, Spielenachmittage oder Filmvorführungen sind in Planung. Helene Seibel: »Natürlich war er bei unserem Fotoprojekt sofort dabei. Als cooler, aber gerechter Cop. Oder auch als Rennfahrer, beides passt wunderbar zu ihm.«
»Wie ein cooler Filmbulle aus den 70er-Jahren. So wollte ich für die Bilder aussehen.«
Karl Stadlbauer, 73, Ehemaliger Schreiner und Fabrikarbeiter
»Als mich Helene Seibel und Tamara Melan gefragt haben, ob ich bei ihrem Fotoprojekt mitmachen will, musste ich nicht lange nachdenken«, erinnert sich Karl Stadlbauer. Der Bayer aus Asing hatte früher leidenschaftlich gerne Tracht getragen, diese Gewohnheit aber aus Mangel an Gelegenheit einschlafen lassen. Als unsere beiden fotografierenden Pflegerinnen ihm anboten, wieder eine Tracht anzuziehen, war er begeistert: »Einfach, weil es sich nicht wie eine Verkleidung angefühlt hat, das wäre nicht mein Ding gewesen. Sondern weil ich aussehen konnte wie ich selber.« Karl Stadlbauer blättert gerne in Fotoalben: »Das ist das Positive am Altwerden. Die vielen Erlebnisse, an die man sich erinnern kann, die Bilder, die man von sich als junger Mensch hat.« Und das neue Foto? »Auch dieses Bild liebe ich sehr. Damit wurde eine schöne Erinnerung an mich selbst geschaffen.«
»Ich musste mich gar nicht verkleiden, die Mädels fanden meinen Stil absolut passend.«
Helene Seibel und Tamara Melan, die Fotografinnen
Noch während ihrer Ausbildung an der Döpfer-Schule in Schwandorf beteiligten sich unsere inzwischen examinierten Altenpflegerinnen Helene Seibel und Tamara Melan an einem Projekt, das den Bewohnern eines Seniorenheims Freude bereiten und ihre Mobilität und ihr Erinnerungsvermögen in Schwung halten sollte. Helene Seibel: »Viele bauen etwas für die Senioren, wie ein Hochbeet oder Sinneswege. Meine Kollegin Tamara und ich aber hatten eine ganz andere Idee: Wir wollten die alten Damen und Herren in Kostüme stecken, die aus den Lebensphasen stammen, die sie eventuell sogar noch selbst erlebt haben. Die 30er, 40er und 50er, die 70er und 80er. Wir wollten sie zu einer Erinnerungsreise durch die Jahrzehnte inspirieren und sie dabei in ihrer natürlichen Schönheit und ihrer Würde zeigen.« Zuerst reagierten einige Bewohner im Passauer Wolf skeptisch: »Man muss respektieren, dass für die meisten dieser Menschen Rituale und Gewohnheiten wichtig sind und dass das ganz schön aufregend sein kann, einmal so auszubrechen wie für unser Fotoprojekt.« Letztlich aber konnten die Fotografinnen acht der Senioren für ihr Projekt begeistern und ihre Bilder auch im Haus ausstellen. »Obwohl wir acht Leute anziehen und schminken mussten, war die Stimmung wunderschön. Manche waren gleich ganz selbstbewusst und haben schnell angefangen, sich in Pose zu werfen. Andere waren schüchtern und tauten erst langsam auf. Und was uns besonders gefiel: Sofort waren wir alle per du, ein Team, es gab keinen Altersunterschied mehr, wir zogen alle an einem Strang. Rührend war auch, dass manchen der Senioren erst durch die Fotos auffiel, dass sie immer noch jemand sind: eine Persönlichkeit, ein toller Mensch, etwas Besonderes. Dass es in jedem Alter schön ist, noch etwas aus sich zu machen.« Tamara und Helene lieben ihren Job und auch die Menschen, mit denen sie zu tun haben: »Man kann so viel von ihnen lernen. Unsere Senioren haben ein unfassbares Durchhaltevermögen. Und sie sind so liebevoll. Sie gehen viel milder miteinander um und viel weniger streng als die Gesellschaft es heutzutage tut. Das Gerücht von den bösen verknöcherten Alten stimmt einfach nicht. Wenn jemand wirklich böse wird, und das gibt es, dann liegt es fast immer an einer Krankheit. Aber ansonsten bewundere ich sie für ihre Empathie und Höflichkeit. Und für ihren Mut. Ich weiß nicht, ob wir uns getraut hätten, uns so verkleidet fotografieren zu lassen.«
Bildnachweis: Passauer Wolf/Tamara Melan, Helene Seibel, Döpfer-Schule Schwandorf