Wenn ich die Auswahl zwischen den zwei olympischen Mottos »Schneller, höher, weiter!« oder »Dabei sein ist alles« für mein eigenes Erdendasein hätte, müsste ich eigentlich nicht lange überlegen. Die einfache Grabinschrift »Hat am Leben teilgenommen« würde mir eines Tages eigentlich genügen. Da müssten nicht einmal Zusätze wie »in allerbester Erfüllung unserer Erwartungen« oder »mit großem Erfolg« dabeistehen.
Dabei begleitet mich der Tatbestand des allwährenden Wettbewerbs und des ständigen Verglichenwerdens seit ich denken kann. Ich kann mich nur düster erinnern, aber ich glaube bereits ein kurzes »Viel Erfolg!« meiner Hebamme gehört zu haben, als ich mich durch den Geburtskanal mühevoll an die frische Luft zwängte. Bis heute stelle ich mir die Frage, ob sie dabei meine Mutter meinte, oder mich. Seitdem ist mein ganzes Leben von der Notwendigkeit bestimmt, erfolgreich zu sein. Ständig werde ich benotet, eingestuft, verhaltensbeurteilt, obwohl ich glaubte, die härtesten Prüfungen meines Lebens längst bestanden zu haben: Schulabschluss, Führerschein, paarweises Zusammenleben.
Dabei werden nach meinem Gefühl Erfolge viel zu wenig belohnt, Misserfolge dagegen grundsätzlich zu sehr bestraft. Wenn ich beispielsweise ein ganzes Jahr lang erfolgreich mein Gewicht halte, kräht im Universum kein Hahn auch nur einen Ton, um meiner zu huldigen. Aber kaum, dass ich meine Triumphspur an Weihnachten für ein paar gebratene Gänse und zufällig herumliegende Vanillekipferl verlasse, muss ich mir im Januar meine komplette Herrenkollektion eine Konfektionseinheit größer kaufen. Ich bin jedesmal froh, wenn mir wenigstens die Schuhe noch passen.
Fahre ich auf der Landstraße an einem Tag zu schnell, will man sofort Geld von mir oder gar meinen Führerschein. Warum bekomme ich im Gegenzug dazu, wenn ich mich ein Jahr lang erfolgreich an die Geschwindigkeitsvorschriften gehalten habe, nicht wenigstens einen Gutschein für dreimal Parken im absoluten Halteverbot? Selbst das erfolgreiche Überstehen einer Männergrippe wird nicht mit einem dreitägigen Grillfest belohnt, sondern damit, dass ich am nächsten Tag wieder in die Arbeit gehen muss. Ich glaube, Erfolge sind überbewertet. Daher habe ich mich jetzt mit mir geeinigt, ein neues, persönliches olympisches Motto für mich aufzurufen: »Langsamer, tiefer, kürzer!« Als miserabler Schwimmer habe ich mit allen drei Zielvorgaben bereits beste Erfahrungen gemacht und bis heute trotzdem überlebt. Und zwar erfolgreich.
Ihr Stefan Wählt
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