Im Alter braucht man weniger Schlaf, heißt es. Stimmt das? Ist ein »Nickerchen« tagsüber normal? Lässt sich die Schlafqualität verbessern? Und wie? Stephan Graeber, Chefarzt der Neurologie und Geriatrie im Passauer Wolf Nittenau, führt uns zu den Schlafbesonderheiten in der geriatrischen Praxis.
Bei älteren Patienten sind Schlafstörungen eine der häufigsten Beschwerden überhaupt. Die meisten von ihnen klagen über Probleme beim Ein- oder Durchschlafen. Wir sprechen dann von Insomnie. Ein gestörter Schlaf kann gerade im Alter zum Auftreten von Krankheiten führen oder bestehende Krankheiten verschlimmern. So leiden ältere Menschen mit Schlafstörungen häufiger an Bluthochdruck, einer Depression, chronischen Schmerzen oder Herzerkrankungen und Schlaganfällen. Gleichzeitig können diese Erkrankungen wiederum zu Schlafstörungen führen. Auch zahlreiche Medikamente und andere Substanzen können zu Schlafstörungen beitragen.
VON URSACHEN UND FOLGEN
Ältere Menschen mit Insomnie stürzen häufiger und sind öfter eingeschränkt in ihrer geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit. Die Fähigkeit zur Selbstversorgung ist deutlicher beeinträchtigt und die Sterblichkeit liegt höher als bei Menschen ohne Schlafstörungen. Mit dem Alter ändern sich auch die verschiedenen Schlafphasen und das Schlafbedürfnis. Das kann auch hormonelle Ursachen haben. Mit zunehmendem Alter nimmt z. B. die Melatonin-Ausschüttung ab, die das Einschlafen fördert und das nächtliche Aufwachen verhindert. Bei Frauen in den Wechseljahren und danach können nachts aufgrund der Östrogenabnahme vermehrt Hitzewallungen auftreten. Bei Älteren sinkt auch der Anteil der tieferen Schlafphasen. Man wacht nachts öfter auf. Dafür nehmen tagsüber die Kurzschlafphasen (»Nickerchen«) zu. Im Alter verkürzt sich die Schlafdauer im Vergleich zu jüngeren Menschen um etwa eine Stunde. Während Säuglinge 16 bis 20 Stunden Schlaf pro Tag brauchen, liegt der Schlafbedarf bei Erwachsenen bei 7 bis 8 Stunden und bei über 60-Jährigen bei etwa 6,5 Stunden.
Eine der häufigsten Schlafstörungen im Alter ist das Schlaf-Apnoe-Syndrom. Das sind schlafbezogene Atemstörungen, von der mehr als die Hälfte aller älteren Menschen betroffen sind. Etwa 10% der Älteren, insbesondere Frauen, leiden am Restless-Legs-Syndrom, einer Erkrankung des Nervensystems, die – meist nachts – zu intensivem, unangenehmem Bewegungsdrang in den Beinen führt. Eine andere Bewegungsstörung, die mit dem Alter zunimmt, sind sogenannte periodische Beinbewegungen im Schlaf. Auch haben mehr als die Hälfte der Demenzkranken einen gestörten Schlaf. Schlafstörungen und Demenz scheinen sich sogar gegenseitig zu bedingen. Eine frühe Identifikation und Behandlung von Schlafstörungen könnten also sogar auf die Manifestation einer Demenz Einfluss haben.

ERHOLSAMER SCHLAF TRÄGT ZUR GENESUNG BEI
Weil guter Schlaf so wichtig ist, dreht sich schon das erste Arztgespräch (Anamnese) auch um die Schlafqualität. Manche Menschen, die zur geriatrischen Rehabilitation kommen, haben auch anfangs leichte Anpassungsschwierigkeiten. Da ist die ungewohnte Umgebung, das neue Bett, die Kissen … Gibt die Anamnese keinen Hinweis auf eine chronische Schlafstörung, und der Patient wünscht trotzdem ein Schlafmedikament, zeigen wir die verschiedenen Behandlungsoptionen auf und weisen auf Wirkungen und Nebenwirkungen deutlich hin. Bei den pflanzlichen Heilmitteln haben wir mit Baldrian gute Erfahrungen gemacht. Im Einzelfall ist auch eine höchstens zweiwöchige Therapie mit einem leichten Schlafmittel vorstellbar. Oft aber reicht schon ein Aufklärungsgespräch und die positive Wirkung der erhöhten körperlichen Aktivität während der Rehabilitation.
IN DER REHA ENTDECKEN, WAS AUCH ZU HAUSE HILFT
Ein wesentlicher Aspekt der Geriatrie liegt in der Überprüfung der Medikation, die ein Patient mitbringt. Hier lassen sich immer wieder durch Weglassen oder Umstellen positive Wirkungen erzielen. So sollten etwa harntreibende oder aktivierende Substanzen besser morgens statt abends eingenommen werden. Häufig ergibt die Befragung älterer Menschen auch, dass diese den Tag inaktiv verbringen, tagsüber vielleicht sogar im Bett liegen, einen Mittagsschlaf halten und abends früh zu Bett gehen. Kein Wunder, dass darunter der Nachtschlaf leidet. Eine Reha bietet die perfekte Gelegenheit, sich an einen gesunden Lebensstil zu gewöhnen. Maßnahmen, die die Schlafhygiene verbessern, sind nachweislich wirksam. Zudem können Patienten in der Rehabilitation verschiedene Entspannungstechniken wie autogenes Training oder progressive Muskelrelaxation kennenlernen und später auch zu Hause selbständig anwenden. Die Ernährung in der geriatrischen Rehabilitation ist den vorliegenden Beschwerden angepasst und angelehnt an eine mediterrane Ernährung. Dabei wird eine schwere Abendkost vermieden.
Im Alter verkürzt sich die Schlafdauer um etwa eine Stunde.
– Stefan Graeber –
BEIDES ANSCHAUEN: SCHLAFMANGEL UND DEPRESSION
Ärger, Aufregung und Ängste können eine Schlafstörung verursachen. Bei älteren Menschen kommen oft Einsamkeit, fehlende Sozialkontakte und andere Sorgen dazu. Solche Faktoren können schon für sich genommen eine Insomnie begünstigen. Auch kognitive, emotionale oder motorische Anspannung oder Schlaferwartungsängste, die zu einem erhöhten psychophysiologischen Erregungsniveau führen, fördern Ein- und Durchschlaf-Schwierigkeiten. Schlafstörungen sind ein häufiges Symptom bei psychischen Erkrankungen. So leiden etwa 90% der an einer Depression Erkrankten an Schlafstörungen. In einer Schlaflabor-Studie waren psychiatrische Erkrankungen mit 35% die häufigste Ursache für Schlafstörungen – deutlich vor Restless-Legs- oder dem Schlafapnoe-Syndrom. Eine Depression muss also bei der Diagnostik von Schlafstörungen unbedingt berücksichtigt werden. In der Geriatrie wird neben der Anamnese, klinischen Untersuchungen, dem Eindruck des Arztes während des stationären Aufenthaltes auch ein standardisiertes Assessment angewendet: Im Passauer Wolf Nittenau nutzen wir dafür die Geriatrische Depressionsskala. Wenn diagnostiziert, ist eine Behandlung der Depression dringend zu empfehlen; wobei neben pharmakologischen auch psychotherapeutische Maß- nahmen eingesetzt werden. Im Verlauf der Therapie ist mit einer Besserung der Schlafstörung zu rechnen.
AUCH ANGEHÖRIGE LEIDEN
Schlafstörungen beeinträchtigen die eigene Leistungsfähigkeit erheblich. Sie führen zu Ruhelosigkeit, Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen, Angst und Erschöpfung. Für die häusliche Pflege und damit dem Verbleib eines älteren Menschen im gewohnten Umfeld, stellen Schlafstörungen eine erhebliche Belastung dar. Bei ständiger Störung der Nachtruhe sind Angehörige relativ schnell nicht mehr in der Lage, die häusliche Pflege zu übernehmen. Es gibt also viele Gründe, Schlafstörungen ernst zu nehmen und ihnen entgegenzuwirken. Wer sich mit einem ausgewogenen Lebensstil anfreundet, sich tagsüber viel Bewegung an der frischen Luft und abends Entspannung in ruhiger Atmosphäre gönnt, gewöhnt sich leichter an einen guten Schlaf-Wach-Rhythmus. Und wacht morgens ausgeruht und energiegeladen auf.
REM-SCHLAFSTÖRUNGEN ALS FRÜHINDIKATOR VON MORBUS PARKINSON
Menschen, die ihre Träume in der REM-Schlafphase körperlich ausleben, die im Schlaf etwa schreien, treten oder um sich schlagen, sollten sich nicht scheuen, fachärztlichen Rat einzuholen. Es gibt mittlerweile Medikamente, die Linderung verschaffen. Zudem kann eine REM-Schlafstörung auf eine zukünftige Parkinson-Erkrankung hinweisen. Vier von fünf Betroffenen entwickeln im Laufe von 15 Jahren eine Parkinson-Krankheit. Besonders, wenn sie mit olfaktorischen Einschränkungen und Depressionen zusammenkommen, gilt es wachsam zu sein. Eine REM-Schlafstörung wird vorrangig in Schlaflaboren detektiert. Erste Hilfe: Alles aus Bettnähe entfernen, was zu einer Verletzung führen könnte.

Weitere Informationen zur Parkinson-Behandlung im Passauer Wolf: passauerwolf.de
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