Fragen zum Wolf…
…stellte der Verhaltensforscher Erik Zimen den schönen Tieren am liebsten auf seine eigene Weise. Im Bayerischen Wald ließ er sich auf viel Nähe ein. Und wurde selbst zum Außenseiter.
Was ist ein Wolf? Ein bösartiges Wesen aus Märchen, das Großmütter frisst? Das Motiv – unserer tiefsten Ängste? Oder doch das Symbol von Freiheit und Rückkehr zum selbstbestimmten Leben? Nur wenige Menschen kamen in ihrem Leben den Wölfen so nahe wie der Verhaltensforscher Erik Zimen. Seine Neugier auf die Strukturen in einem Rudel war so groß, dass er nicht nur mit den Tieren im Bayerischen Wald lebte, sondern selber die Rolle des Alphatieres übernahm. Er beschritt völlig neue Wege, ohne sich Sorgen um die Meinung der anderen Wissenschaftler zu machen.
Miteinander ohne Angst
Seine hautnahen Begegnungen mit den Wölfen und die vielen Geschichten aus dem Leben eines Rudels sorgten dafür, dass er sich international einen Namen machte. Und als die Tiere allmählich wieder wild in Deutschland auftauchten, war er der leidenschaftlichste Kämpfer für ein Miteinander von Mensch und Wolf. Trotzdem konnte er nicht verhindern, dass das Bild vom bösen Wolf in den Köpfen der Menschen weiterlebte. Da halfen auch seine rührenden Geschichten aus dem Innenleben eines Rudels nicht: Ohne eigene Erfahrungen wollte niemand glauben, dass das Raubtier Wolf zu Beziehungen fähig sei. Da zeigte sich das Raubtier Mensch unbelehrbar…

… Antworten zum Leben
Tänzerin, Lehrerin, Begleiterin des Wolfsforschers Erik Zimen, Künstlerin — das Leben von Mona Zimen nahm viele Wendungen. Ein Interview mit der lebensklugen, starken Frau.
WOLFSSPUR: Wie haben Sie immer wieder die Kraft dazu gefunden, sich neu zu erfinden?
MONA ZIMEN: Das Neue kommt ganz von selbst, wenn man erst die Kraft für den Abschied gefunden hat. Für mich ist Loslassen und sich dem Wandel anvertrauen die große Herausforderung des Lebens. Alles hat seine Zeit und nichts bleibt wie es ist. Ich empfinde das unendlich schwer und traurig und gleichzeitig als schönsten und größten Reichtum. In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns alle.
WOLFSSPUR: Gab es in Ihrem Leben auch Momente, in denen Sie lieber aufgegeben hätten?
MONA ZIMEN: Ich glaube, es ist gut zu wissen, dass das Leben ein Übung und Spielfeld sein darf mit offener Zukunft, mit Überraschungen und Wendungen. Wir dürfen wachsen, werden, uns verändern, wir dürfen glücklich sein! Wirkliche Niederlagen stellen sich nur dann ein, wenn wir ein falsches Ziel verfolgt haben. Dann sollten wir unser Ziel ändern oder vielleicht überhaupt nicht so sehr zielorientiert sein. Das Leben ist kein Kampf, in dem man durchhalten muss, in Wirklichkeit gibt es keine Gewinner oder Verlierer. Aufzugeben ist mir noch nie in den Sinn gekommen. Warum auch? Diesen inneren Entschluss erhoffe ich mir für den letzten Tag meines Lebens als positives Vorhaben ganz für mich selbst.
WOLFSSPUR: Wie wichtig sind bei diesem Werdegang Freunde und Wegbegleiter?
MONA ZIMEN: Ich bin glücklich, dass ich so verschiedene Wegbegleiter hatte und habe und auch für die anderen Wegbegleiter sein darf. So verschieden andere sind, so reich und facettenreich wird man im Austausch dann ja auch selbst immer ein wenig. Das ist für mich ein großes Geheimnis, diese äußere und innere Unendlichkeit und die Überraschungen und Wunder, die sich damit auftun. Ich finde es wichtig, sich für Menschen zu entscheiden. Als wir keine Kinder bekamen, haben wir unsere vier Kinder adoptiert – welches Glück war und ist das!

Lebensweg Mona Zimen
Sie wurde am 20. Januar 1965 auf der Schwäbischen Alb geboren, hatte ein Stipendium an der John-CrankoBallettschule in Stuttgart, brach das Studium jedoch ab und wurde Lehrerin für Sport und Gestalten. Als Frau des Wolfsforschers Erik Zimen war sie Co-Autorin zahlreicher Filme und Bücher. Ihr Mann starb 2003 an einem Gerhirntumor. Mona Zimen lebt mit ihren vier Adoptivkindern auf dem Biohof Grillenöd. Dort leitet sie Projekte, in denen Sechs- bis 14-jährige in Kontakt mit der Natur kommen. Darüber hinaus arbeitet sie künstlerisch in ihrem Bildhaueratelier.
WOLFSSPUR: Was haben Sie aus den einzelnen Lebensabschnitten mitgenommen?
MONA ZIMEN: In einer Zeit zu leben, in der so vieles möglich sein darf, ist ein großer Schatz. Meine Mutter, Groß- Mutter, Urgroßmutter hatten nicht die Freiheit, so eigenbestimmt zu leben wie ich heute. Auch wenn Abschiede traurig waren, bin ich froh über die verschiedenen Phasen, die ich bisher erlebt habe. Die Zeit mit meinem Mann war sehr interessant und spannend. Er hat mir neue Horizonte eröffnet und Mut gemacht. Mit ihm habe ich wieder gelernt, dass Träume mit Wirklichkeit zu tun haben, dass man Ideen tatsächlich auch leben kann. Das weiß man ja als Kind, aber die Welt der Erwachsenen lehrt oft anderes. Auch die Zeit mit meinen Kindern war ungeheuer lebendig und intensiv. Mit all der Liebe und dem großen Glück zogen gleichzeitig auch belastende Auswirkungen ihrer Vergangenheit mit ein, mit denen wir bis heute und vielleicht auch in Zukunft zu tun haben werden. Das Leben auf unserem Hof in der Natur mit unseren Tieren hat im Laufe der Zeit, fast unmerklich, meine Sicht verändert. Je mehr die Jahre vergehen, je länger alles kommt und geht und sich alles wiederholt (die Blätter an den Bäumen, die kleinen Lämmchen, die Menschen um mich und mit ihnen auch ich) desto mehr entsteht in mir eine große Beruhigung. Ich ahne wie verwandt wir alle sind und wie sehr wir eines im anderen leben – und das ist sehr schön.
WOLFSSPUR: Gibt es einen Punkt, an dem Sie sagen: »Jetzt reicht es, jetzt bin ich fertig?« Oder haben Sie immer noch Pläne?
MONA ZIMEN: Statt Plänen habe ich eher Ideen, Träume, Sehnsüchte und sicher werden sich immer wieder Gelegenheiten auftun. Statt planen mit dem Blick in die Ferne möchte ich lieber die Dinge finden, die vor mir liegen.
WOLFSSPUR: Können Sie Menschen, die an einem Wendepunkt oder an einem Neuanfang ihres Lebens stehen, einen Rat geben?
MONA ZIMEN: Der passende Rat liegt in jedem selbst verborgen. Ich glaube, es ist wichtig, in einer positiven, in einer liebenden Haltung nach innen und außen zu horchen. Was kann einem dann noch passieren? »Der passende Rat liegt in jedem selbst verborgen.«
Bildnachweis: Adobestock/Laszlo, Mona Zimen/Privat