Was haben Joghurt, Schokolade und Kaffee gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht viel – höchstens, dass sie für viele Menschen ganz selbstverständlich zum Alltag gehören. Doch hinter diesen Genussmitteln steckt ein gemeinsames Prinzip: Sie alle sind fermentiert.
Fermentation ist ein uraltes Verfahren und zugleich hoch modern ursprünglichsten Form. Mikroorganismen verwandeln – ein Paradebeispiel für Wandel in seiner – einfache Zutaten in Produkte mit neuem Geschmack, veränderter Konsistenz, längerer Haltbarkeit und oft auch besseren Nährwerten. Aus Kohl wird Sauerkraut, aus Milch wird Käse und aus Getreide wird Sauerteigbrot. Die Fermentation ist traditionell und modern zugleich, wissenschaftlich erklärbar und doch ein kleines Wunder. Sie steht für Nachhaltigkeit und lädt dazu ein, Wandel nicht nur zu beobachten, sondern selbst mitzugestalten: ganz praktisch, in der eigenen Küche.
WAS BEIM FERMENTIEREN PASSIERT
Der Begriff »Fermentieren« stammt ursprünglich vom lateinischen Wort »fermentum« ab und bedeutet »Gärung«. Während des biochemischen Prozesses wird der in Lebensmitteln enthaltene Zucker von Mikroorganismen wie Milchsäurebakterien, Hefen oder Pilzen abgebaut – und es entstehen Milchsäure, Kohlensäure oder Alkohol. Es gibt viele verschiedene Arten des Fermentierens. Bei Gemüse kommt in der Regel die sogenannte Milchsäuregärung zum Einsatz. Der dabei stattfindende Stoffwechselprozess senkt den pH-Wert, wodurch ein saures Milieu entsteht, in dem schädliche Keime kaum überleben können. Das Ergebnis: eine deutlich verlängerte Haltbarkeit, ein fein-säuerlicher Geschmack sowie eine verbesserte Bekömmlichkeit. Aus einfachen Lebensmitteln entstehen aromatische, lebendige Produkte mit gesundheitsfördernden Eigenschaften, die durch ihre lange Haltbarkeit auch noch nachhaltig und praktisch zugleich sind.
KEIN ALLHEILMITTEL, ABER GESUND
Auch wenn wissenschaftlich bislang nicht eindeutig belegt ist, dass fermentierte Lebensmittel grundsätzlich gesünder sind als andere, weisen sie doch einige Eigenschaften auf, die sich positiv auf den Körper auswirken können – insbesondere im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung. Fermentiertes Gemüse enthält lebendige Milchsäurebakterien, die beim rohen Verzehr direkt aufgenommen werden. Diese Mikroorganismen unterstützen eine gesunde Darmflora, fördern die Verdauung und können das Immunsystem stärken. Indem die Bakterien den vorhandenen Zucker abbauen, wird das Gemüse außerdem bekömmlicher – ein Vorteil, der auch Menschen mit empfindlicher Verdauung zugutekommen kann. Gleichzeitig bleiben durch den Verzicht auf Erhitzen alle hitzeempfindlichen Vitamine enthalten und es entstehen sogar neue Vitamine. Allerdings vertragen nicht alle Menschen fermentierte Lebensmittel gleich gut: Wer ein geschwächtes Immunsystem hat, schwanger oder sehr jung (unter drei Jahren) ist, sollte lieber darauf verzichten.

Faszination fürs Selbstgemachte
Wie facettenreich und alltagstauglich Fermentation sein kann, zeigt Astrid Aichinger, besser bekannt als die Mosauerin. Gemeinsam mit ihrem Mann lebt sie auf dem Mosauerhof im oberösterreichischen Innviertel, wo sie mit viel Herzblut ein naturnahes, kreatives Landleben pflegt – und ihre Erfahrungen auf ihrem Blog mosauerin.at teilt. Neben einem eigenen Hofladen und Onlineshop gibt die Mosauerin außerdem auch leidenschaftlich gern Kurse rund um saisonale Zutaten und kreative DIY-Ideen – darunter auch Workshops zum Fermentieren. Wie man damit anfängt, was es zu beachten gilt und welche Rezepte besonders lecker sind, verrät sie im Gespräch. Ausgelöst wurde ihre Faszination fürs Fermentieren durch den berühmten Innviertler »Ogfeiden« – einem abgefaulten Käse, der aus der Rohmilch von grasgefütterten Kühen, Kümmel und Salz hergestellt wird und in der Sonne gärt, bis er sein typisch würziges Aroma entfaltet. »Ich habe angefangen, mich damit zu beschäftigen, wie Fermentieren funktioniert«, erzählt die Mosauerin. »Und ich habe gelernt, was man alles fermentieren kann. Fermentation umgibt uns überall. Es ist ja nicht nur ganz klassisch das Sauerkraut – auch Wein ist fermentiert, Tabak, Salami oder Sojasoße.« Aus diesem anfänglichen Interesse ist mittlerweile ein umfangreiches Wissen entstanden, das sie teilt.
Fast alles kann ins Glas
Es ist die Fülle an Produkten, die die Mosauerin begeistert – und die mittlerweile nicht mehr wegzudenken ist aus ihrer Küche. »Was ich unwahrscheinlich liebe, sind z.B. meine Salzgurken im Sommer. Man kann aber auch Rhabarber oder Kräuter fermentieren und eine Suppenpaste herstellen. Ich habe auch schon Kürbis mit Rosinen und Curry fermentiert. Spannend. Geschmacksache. Knoblauch zum Beispiel kann manchmal richtig schlumpfblau werden. Das ist jetzt nicht unbedingt mein persönliches geschmackliches Highlight. Aber: Der Fantasie sind fast keine Grenzen gesetzt«, so die Mosauerin. Und es geht ganz einfach.
Fermentieren für Einsteiger:innen
Für den Einstieg ins Fermentieren braucht es nicht viel: ein einfaches Gefäß, etwas zum Beschweren, Salz – und natürlich ein Lebensmittel, das eingelegt werden soll. Im Wesentlichen unterscheidet man zwischen zwei Techniken: Zum einen kann man den eigenen Zellsaft des Gemüses nutzen, indem man es beispielsweise wie beim Sauerkraut klein schneidet, salzt und knetet. Zum anderen kann man das Gemüse in eine separat angesetzte Salzlake einlegen, wie es bei Salzgurken der Fall ist. »Das Fermentiergut sollte gewaschen, aber nicht steril sein. Übertriebene Hygiene ist kontraproduktiv«, so die Mosauerin. Wichtig sei beim Fermentieren zudem, dass das Lebensmittel stets unter der Flüssigkeit bleibt, damit sich keine unerwünschten Keime bilden. »Der größte Feind für die Fermentation ist die Luft bzw. die Grenzfläche zwischen Luft und Flüssigkeit. Fermentation ist ein anaerober Prozess – das heißt, er muss unter Ausschluss von Luft geschehen. Die Flüssigkeit macht nichts anderes, als dass sie die Luft ausschließt. Problematisch sind immer die Grenzflächen, denn dort kann Schimmel entstehen«, erklärt die Mosauerin. Schimmel auf der Grenzfläche bedeute allerdings nicht, dass auch das fermentierte Produkt unter der Flüssigkeitsoberfläche schlecht geworden ist. Oft sei es noch gut genießbar. »Man muss sich beim Fermentieren aber immer auf seine Sinne verlassen. Wenn man sich nicht sicher ist, sollte man das Ferment unbedingt entsorgen«, so die Mosauerin.
Das eignet sich gut
Als Faustregel gilt: Festes Gemüse mit wenig Wasser und natürlichem Zuckergehalt ist ideal. Am besten geeignet sind zum Beispiel Kohl, Karotten oder Rettich.
WARUM FERMENTE ATMEN MÜSSEN
Ein häufiger Anfängerfehler: Das Gefäß wird nicht nur abgedeckt, sondern ganz verschlossen. Denn die Mikroorganismen produzieren beim Gären Kohlendioxid – und das will raus. Wenn das Ferment in einem luftdicht verschlossenen Gefäß ohne Entweichmöglichkeiten für das Gas lagert, baut sich Druck auf. »Das Glas kann platzen oder explodieren, wenn der Druck zu groß wird«, erklärt die Mosauerin. Spezielle Gefäße mit Wasserrinne oder Ventil helfen dabei, Druck kontrolliert abzulassen.
WIE LANGE DAUERT’S?
Wie lange der Prozess des Fermentierens dauert, hängt vom Gemüse ab. Salzgurken sind zum Beispiel innerhalb von ein paar Tagen fertig. Sauerkraut hingegen braucht länger – je nach Geschmack. Nach ein bis zwei Wochen ist das Kraut meist schon leicht säuerlich. Nach drei bis vier Wochen ist das Kraut deutlich milder im Aroma und voll durchfermentiert – ideal für alle, die das klassische Sauerkraut bevorzugen. Außerdem sind auch Faktoren wie die Temperatur und die Größe des Gärgefäßes entscheidend: »Je höher die Temperatur und je kleiner das Gärgefäß ist, desto schneller funktioniert das Ganze. Temperaturmäßig sollte man schauen, dass man zwischen 14 und 24 Grad Celsius liegt. Am Anfang lieber zu warm als zu kalt, damit die Gärung losgehen kann.« Je nach Lagerung liegt die Haltbarkeit fermentierter Produkte bei rund sechs Monaten bis zu einem Jahr.
Bildnachweise: Adobe Stock/Dash, Barbara Ziegelböck





















