Kinder können das: Mühelos verwandeln sie sich in Prinzessinnen und Prinzen, Löwen, Schmetterlinge oder Piraten. Sie finden ein Blatt und entdecken in ihm einen Teller, den Kopfschmuck einer Kaiserin, den Augenschutz, der die Wüstensonne erträglich macht. Sie servieren einen Legostein und fragen neugierig: »Schmeckt’s?« Kinder sind kreativ. Sie wechseln die Perspektive, denken spielerisch, assoziativ, heterogen. Wie singt Pippi Langstrumpf? »Zwei mal drei macht vier Widdewiddewitt | und drei macht neune!«
In der Regel trainieren wir Menschen spätestens ab der Schulzeit das zielgerichtete, folgerichtige, lineare Denken. Wir lernen, was richtig und was falsch ist, wie man am schnellsten von A nach B kommt. Und prägen uns diesen einen Weg ein, als gäbe es keinen anderen. Wir wiederholen und wiederholen ihn, werden dabei schneller, sicherer, zielgenauer. Doch irgendwann hat sich eine Art Autobahn in unser Gehirn gegraben – wie der Neurobiologe Gerald Hüther sagt – und es ist schwierig, davon wieder herunterzukommen. Etwa, um auf Feldwegen der ungezähmten Schönheit der Natur zu begegnen.
Unser Gehirn lernt immer
Durch Erfahrungen und Lernprozesse legt unser Gehirn immer wieder neue Verbindungen zwischen den Nervenzellen an. »Durch die Art und Weise, wie wir unser Gehirn gebrauchen, bilden wir es aus«, sagt Gerald Hüther, »es ist also nicht egal, was wir mit unserem Gehirn machen. Ob wir Abend für Abend vor dem Fernseher sitzen oder Geige spielen, lesen, spazierengehen oder im Internet surfen.« Wie wollen wir also den Abend verbringen? Wie wollen wir leben?
Jeder Mensch kann kreativ sein. Und jeder Mensch kann diese freie Art zu denken selbst provozieren oder auch selbst verhindern. Das Gehirn ist nicht nur ein formbares, sondern auch ein sehr ergonomisches Organ: Was nicht gebraucht oder nicht geübt wird, bildet sich einfach wieder zurück. Es lohnt sich also, das freie, assoziative, spielerische Denken zu sich einzuladen. Es fördert nicht selten überraschende Ergebnisse zu Tage und macht zudem richtig Spaß!
Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann.
– Francis Picabia –
☞ Auf den Kopf stellen
Weil unser Gehirn Negatives vor Positivem wahrnimmt, hilft diese Methode, die auch Flip-Flop Methode oder Kopfstand-Technik genannt wird, zähe Überlegungen wieder in Fahrt zu bringen. Dabei drehen Sie eine Fragestellung in ihr Gegenteil um. Überlegen Sie also nicht: Was muss ich tun, damit mehr Menschen mein Schreibwarengeschäft bemerken? Sondern fragen Sie: Was kann ich alles tun, damit möglichst niemand mein Schreibwarengeschäft wahrnimmt? Sammeln Sie alle Aspekte, die Ihnen dazu einfallen. Und dann drehen Sie alle Aspekte wieder in ihr Gegenteil um.
☞ Das Neue zu sich einladen
Jeder Tag bietet unzählige Möglichkeiten, der Alltagsroutine ein Schnippchen zu schlagen. Ein paar Anregungen:
- Gehen Sie doch mal rückwärts spazieren.
- Nutzen Sie für den Weg zur Arbeit ein anderes Transportmittel als üblich.
- Beginnen Sie ein Gespräch mit einem Kollegen, mit dem Sie noch nie gesprochen haben.
- Verändern Sie den Bildschirmhintergrund.
- Lesen Sie einen Blog oder Artikel in einer Zeitschrift zu einem Thema, mit dem Sie sich noch nie beschäftigt haben.
- Machen Sie einem Fremden ein Kompliment.
- Lernen Sie Jonglieren.
- Zeichnen / kritzeln Sie jeden Abend eine 5-Minuten-Skizze aufs Papier. Geben Sie Ihrer Skizze einen Titel.
- Putzen Sie die Zähne mit der »anderen« Hand
☞ Die Rollen tauschen
Wer sich eine Aufgabe oder ein Problem immer aus einer, nämlich der eigenen, Perspektive anschaut, kann leicht in eine mentale Sackgasse geraten. Man wiederholt und wiederholt die eigene, gleiche Sichtweise, tritt auf der Stelle und kommt keinen Millimeter voran. Es gilt die Perspektive zu verändern.
Suchen Sie eine Person, von der Sie denken, er oder sie könnte die Aufgabe leicht knacken. Stellen Sie eine »fantastische Frage«, beispielsweise: Wie würde Picasso mit dieser Aufgabe umgehen? Was würde Pippi Langstrumpf als Erstes tun? Und als Zweites? Wie würde Ihr Sohn oder Ihre Tochter das Problem angehen? Schreiben Sie alles auf, was Ihnen zur Frage einfällt, und denken Sie von dort aus weiter.
☞ Äste zeichnen
Wenn es Ihnen schwerfällt, einen Gedanken oder eine Idee zu vertiefen: Schreiben Sie in die Mitte eines großen Papierblattes das zentrale Thema, mit dem Sie sich auseinandersetzen wollen. Von hier aus zeichnen Sie Seitenarme mit vertiefenden Aspekten, freien Assoziationen und Nebenaspekten. Es entsteht eine verästelte Gedanken-Landkarte, die auch visualisiert, was nah zum Kern gehört und was weiter weg vom Ursprungsgedanken liegt.
☞ Das Beste gegen Stillstand ist Bewegung
Wenn Ihnen absolut nichts einfällt, dann stehen Sie einfach auf und wechseln die Umgebung. Spüren Sie, wie gut Bewegung tut. Besuchen Sie ein Café oder setzen Sie sich auf eine Parkbank. Orte können inspirierend wirken. Finden Sie Ihre Lieblingsorte! Überlegen Sie, wo Sie waren, als Sie eine richtig gute Idee hatten. Die wenigsten Menschen haben solche Glücksmomente übrigens in ihrem gewohnten Arbeitsumfeld.
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