In den warmen Sommermonaten wächst die Lust der meisten Menschen, körperlich aktiv zu werden, sich auch sportlich einmal so richtig zu fordern. Dann kommt das fein abgestimmte System aus Knochen, Muskeln, Gelenken, Bändern, Sehnen und Faszien in Schwung — oder auch aus dem Tritt.
Über das, was zu tun ist, damit Bewegungsfreude lange hält, aus Forderung keine Überforderung entsteht und Verletzungen möglichst vermieden werden, haben wir mit Dr. med. Michael Grubwinkler gesprochen. Er ist Orthopäde, Ärztlicher Direktor und Chefarzt im Passauer Wolf Ingolstadt. Als ehemaliger mehrjähriger Mannschaftsarzt des ERC Ingolstadt und aktueller Mannschaftsarzt des FC Ingolstadt 04 bringt er zudem jede Menge Erfahrung aus dem Profisport mit, von der jeder profitieren kann.
Es ist gar nicht schwer, sich beim Sport zu verletzen. Warum eigentlich?
Dr. Grubwinkler: »Dafür gibt es eine Menge Gründe: Bei ungenügendem Trainingszustand zum Beispiel fehlt die Stabilität in den Gelenken. Auch falsche Technik bei der konkreten Ausübung einer Sportart kann zu Verletzungen führen, ebenso mangelndes Aufwärmen, ein unebener Bodenbelag oder ungeeignetes Schuhwerk. Auch physische und psychische Ermüdung lässt nicht nur die Konzentration, sondern auch die Koordination sinken. Bänder- oder Gelenkkapselverletzungen treten meist beim Umknicken des Fußes oder einer ruckartigen Drehbewegung im Knie auf. Verletzungen wie Muskelzerrungen bis hin zum Muskelriss haben ihre Ursache in der Überdehnung eines Muskels. Das kommt vor allen Dingen bei Sportarten mit schnellen Belastungs- und Richtungswechseln beim Laufen, wie beim Tennis oder Fußballspielen, vor.«
Was kann man tun, um das Verletzungsrisiko zu reduzieren?
Dr. Grubwinkler: »Die allerwichtigste Regel: kein Sport ohne vorheriges Aufwärmen! Durch das Aufwärmen erhöht sich beispielsweise die Muskeltemperatur und die Elastizität von Bändern und Muskeln. Auch wichtig: Jeder Sportler sollte seine Leistungsgrenze kennen und respektieren. Das Trainingsprogramm soll man nur allmählich, Schritt für Schritt steigern. Eine vernünftige Sportausrüstung kann nicht nur Verletzungen vorbeugen, sondern auch Anatomie und Motorik unterstützen und so helfen, die Trainingsergebnisse zu verbessern. Und: Jede Sporteinheit langsam ausklingen lassen! Dehnungsübungen helfen, einem Muskelkater vorzubeugen.«
Spielt auch die Ernährung eine Rolle?
Dr. Grubwinkler: »Natürlich. Nur wer sich richtig ernährt, ist leistungsfähig. Das gilt für die Energiezufuhr außerhalb der Trainingseinheiten. Aber auch während der Sportausübung braucht der Körper die Zufuhr von Energie. Fehlt diese Energie, kommt es rascher zu Ermüdungserscheinungen und das Verletzungsrisiko nimmt zu. Sportler sollten außerdem viel trinken Nicht nur während des Sports, sondern schon davor. Denn durch das Schwitzen verliert der Körper nicht nur Flüssigkeit, sondern auch Spurenelemente und Elektrolyte.«
Auch wenn es banal klingt, die allerwichtigste Regel heißt: kein Sport ohne vorheriges Aufwärmen!
– Dr. med. Michael Grubwinkler –
Verraten Sie uns Erste-Hilfe-Tipps?
Dr. Grubwinkler: »Bei akuten Verletzungen kann die bekannte PECH-Regel helfen:
- PAUSIEREN – die sportliche Belastung beenden, das betroffene Körperteil ruhigstellen.
- EIS – die betroffene Stelle kühlen.
- COMPRESSION – einen Druckverband über der geschädigten Stelle anlegen.
- HOCHLAGERN – etwa das Bein hochlegen. Kühlung, Druck verband und Hochlagerung können sowohl die Schmerzen – wie auch Schwellungen mildern.«
Und wenn das nicht hilft?
Dr. Grubwinkler: »Wenn sich Beschwerden oder Funktionsstörungen nicht bessern: Dann dringend einen Arzt aufsuchen! Verletzungen, etwa Fehlstellungen durch Ausrenkung, Brüche oder auch offene Verletzungen, müssen unbedingt ärztlich untersucht und behandelt werden. Nur ein Arzt kann auch sinnvolle und notwendige diagnostische Mittel, beispielsweise Röntgen, Ultraschall oder Kernspin, einsetzen.«
Wann sind operative Eingriffe unumgänglich?
Dr. Grubwinkler: »Das lässt sich so pauschal leider nicht beantworten. Viele Sportverletzungen – vom Knochenbruch bis zum Muskelriss – können sowohl konservativ wie auch operativ behandelt werden. Da hängt viel vom Einzelfall ab. Tendenziell neigt man im Profisport eher zur operativen Therapie. Das liegt oft am Zeitdruck, etwa durch den Verein, den Sportler oder auch seine Berater. Schließlich soll der Profisportler vor allem schnell und ohne anhaltende Funktionseinschränkung wieder voll einsatzbereit sein.«
Und welche Bedeutung kommt der Regeneration zu?
Dr. Grubwinkler: »In der Regenerationsphase –nach dem Sport oder zwischen den Trainingseinheiten – erholt sich der Körper von den Anstrengungen. Für den Sportler ist diese Phase ganz zentral. Denn nicht während des Trainings, sondern während der Erholungsphasen wachsen die Muskeln, werden Muskelfasern regeneriert und geschwächte Zellen wieder in Funktion gebracht. Außerdem werden die Energiespeicher wieder aufgefüllt und Abfallprodukte des Stoffwechsels, die während des Sports gebildet wurden, abgebaut. Regenerationsphasen helfen, auch mental wieder frisch zu werden und sich im nächsten Training wieder voll und ganz auf die Bewegungsabläufe konzentrieren zu können. Sogar eine Stagnation im Trainingsfortschritt, ein sogenanntes Trainingsplateau, kann durch die Anpassung der Regenerationszeiten vermieden oder überwunden werden.«
Herzlichen Dank für die hilfreichen Tipps und alles Gute.
Bildnachweis: Jürgen Meyer