Zum Abschluss ihrer internationalen Karriere holte die Sportschützin in Rio das ersehnte Edelmetall. Die Freude ist grenzenlos – obwohl diese Frau keine Siege braucht, um sich als Gewinnerin zu fühlen.
Als sie realisiert, dass die 9,0 für ihren Schuss zum Titel reichen, steht die Zeit einen Augenblick still. Dann brechen Glück und Erleichterung aus Barbara Engleder heraus: »Ja, ja! Ich hab’s euch allen gezeigt!« Das hat sie; allen Zweiflern, Skeptikern, aber auch allen Unterstützern, Fans – und vor allem sich selbst. Denn die Goldmedaille, die sie sich an diesem legendären 11. August bei den Olympischen Spielen in Brasilien erkämpft hat, ist der wohl größte Triumph ihrer langen Karriere. Und gleichzeitig der letzte: Die 34 Jährige hängt die Waffen Ende 2016 nach über 20 Jahren an den Nagel, das stand schon vor Olympia fest. Kein Wunder, dass die goldene Scheibe für die Niederbayerin etwas ganz Besonderes ist – und vermutlich bleiben wird. Deshalb hat sie auch einen speziellen Platz bei Engleders verdient: im Wohnzimmerschrank neben dem Fernseher. »Ich habe keine meiner früheren Medaillen bei uns zu Hause ausgestellt«, verrät die Schützin. Aber dieses Olympiagold ist eben eine Ausnahme. Eine Anerkennung für die sportliche Leistung, natürlich. nicht minder jedoch der Beweis dafür, dass Barbara Engleder enorme mentale Stärke besitzt. Denn weder vor noch in Brasilien standen die Zeichen so richtig auf Sieg. Wer abergläubisch ist, hätte wohl gar das Gegenteil vermutet: Zuerst wie fühlt man sich wohl als Gewinnerin einer goldenen olympia-Medaille? Barbara Engleder weiß es: gigantisch gut – und man bekommt davon Durst auf ein Weißbier. vernichtete ein Hochwasser in ihrem Heimatort kurz vor dem Abflug einen Großteil der im Keller gelagerten Waffen. »nicht vernichtet, nur tüchtig nass geworden«, berichtigt Engleder, gibt aber zu: »Im ersten Moment war ich da schon etwas ratlos. Aber meine Ausrüster haben Übermenschliches für mich geleistet, um den Traum Olympia nicht platzen zu lassen.«
Dass sie selbst für genau diesen Traum fast ununterbrochen trainiert, ihre gesamte Zeit am Schießstand verbringt und am Material feilt – selbstverständlich für die Athletin, die als extrem fleißig gilt. In Rio angekommen, setzt sie schließlich eine kräftige Erkältung schachmatt. Doch wer gewohnt ist zu kämpfen, gibt sich ein paar Keimen nicht geschlagen: Von den Ärzten halbwegs fit gemacht, tritt sie an zum Wettkampf mit dem Luftgewehr über die 10MeterDistanz. Und Engleder liefert eine überragende Qualifikation ab – doch im Finale fehlen ihr schließlich 0,3 Punkte, weniger als ein Millimeter, auf den Medaillenplatz. Kein Bronze, nur Blech. Das tut weh; die für ihre offenen Worte bekannte Sportlerin fasst den Ärger über Platz vier hinterher kraftvoll zusammen: »Ist die Runde noch so klein, einer muss das Arschloch sein.« Mit solchen Zitaten hadert die Trifternerin hinterher nicht. »Direkt nach einem missglückten Wettkampf darf man schon mal einen Fluch loslassen. nach fünf Minuten ist diese Phase allerdings bei mir wieder vorbei. Es ist aber sehr wichtig, die Sache später, wenn man etwas Abstand dazu gewonnen hat, sachlich und vor allem grundehrlich aufzuarbeiten, um eventuelle Fehler in der Vorbereitung oder Durchführung bei späteren Wettkämpfen verhindern zu können.«
Schöner könnt’s nicht sein
Dass diese Aufarbeitung in Rio de Janeiro sehr erfolgreich gelingt, ist bekannt: Ihren letzten internationalen Wettkampf, Dreistellungskampf mit dem Kleinkalibergewehr, beendet Barbara Engleder »goldig«. Mittlerweile ist sie heimgekehrt, wurde bei ihrer Ankunft von rund 700 Menschen auf dem sonnigen Trifterner Marktplatz gefeiert. Ein bewegender Moment, den sie, ihren Mann Jürgen und den dreijährigen Sohn Tobias im Arm, mit einem überwältigten »Schena kannt’s ned sei« kommentierte.
»Meine Familienbande ist mein ganzes Glück, sie sind einfach fantastisch.«
von Bienchen & Blümchen
Sicher galt der Ausruf einerseits dem Erfolg und der Anerkennung – andererseits aber auch dem Glück, endlich wieder zu Hause zu sein. Bei ihren geliebten Menschen und in der Natur; hier liegt Barbara Engleders Kraftort. »Heimat und Familie haben für mich den höchsten Stellenwert, den man sich nur denken kann. Deine Heimat gibt dir Wurzeln; man braucht diese Basis, damit einem Flügel wachsen können.« Und mit Flügeln kennt sich die bodenständige Bayerin nicht nur bei Höhenflügen in ihrem Sportberuf aus, sondern auch in der Freizeit: Als Hobby Imkerin betreut sie mit ihren Eltern 30 Bienenstöcke und herrscht in Hoch-Zeiten über rund 120.000 Bienen. Eine Tätigkeit, die Engleder erdet: »Der Geruch, die Tiere, der Kreislauf des Lebens, das erfüllt mich. Man muss Ruhe ausstrahlen, damit man gut arbeiten kann.« Auch für diesen Aufwand wird sie mit Gold belohnt, wenn auch in flüssiger Form. Etwa von Mai bis September kann der Honig geschleudert werden. Barbara Engleder genießt die Aussicht, im nächsten Jahr bei allen »Trachten« genannten Erntezeiten mit dabei zu sein: Die vielen sportbedingten Abwesenheitszeiten durch Training, Wettkämpfe und deren Vorbereitung liegen dann hinter ihr.
Jetzt wartet Die Zukunft
Wie ihre berufliche Zukunft ab 2017 aussieht, weiß Engleder noch nicht genau. Aber es soll eine Arbeit ohne wochenlange Reisen sein: »Ich möchte auf jeden Fall mehr Zeit für die Familie haben.« Eine Verwaltungstätigkeitschwebt ihr vor, die ihr auch noch ein bisschen Raum für den einen oder anderen Kinobesuch lässt: »Meine große Leidenschaft ist das Filme gucken.« Bauchgrummeln vor der Veränderung und den neuen Herausforderungen hat Barbara nicht. Erfolge waren ebenso wie Misserfolge Teil ihrer sportlichen Karriere; sie weiß, dass auch mal eine Durststrecke kommen kann. »Ich denke, wichtig ist immer, grundsätzlich positiv mit Respekt, aber ohne Angst an eine Sache heranzugehen; sich zu sagen: ›Ich habe gut gearbeitet, wenn ich mein Bestes gebe, dann kann ich zufrieden sein.‹« Bis es soweit ist, hat sie ja glücklicherweise noch ein wenig Zeit. Die füllt Engleder jetzt, neben der ersehnten »Quality Time« mit Mann, Kind und dem Rest der geliebten Familienbande, auch mit Gartenarbeit und Schwammerlsuche. Sogar Zeit fürs Dirndl bei der einen oder anderen lokalen Festivität hat sie wieder: »Solche Traditionen gehören zur Heimat unbedingt dazu, und ich pflege sie gern.«
Geheimnis ihres Erfolgs
Endlich bei Familienfeiern nicht mehr fehlen müssen und Söhnchen Tobias abends selbst ins Bett bringen können: Während sich die 34Jährige schon auf die Zeit nach ihrem Karriereende, freut, wird sie als Teamplayerin ganz sicher sehr vermisst werden. Die »Schützenmami«, wie sie von ihren Kolleginnen genannt wird, ist dafür bekannt, stets gute Laune und ein offenes Ohr für andere zu haben. Dass die Mannschaftskameraden im Olympic Shooting Centre in Deodoro geschlossen im Publikum saßen, um sie anzufeuern, mitzufiebern und schließlich über ihren Triumph mitzujubeln, war kein Zufall. Barbara Engleder ist beliebt und wird für das, was sie leistet, sehr geschätzt. Was ist das Geheimnis ihres Erfolges? Sowas gibt’s nicht, sagt sie – obwohl da schon immer so ein Gedanke im Hintergrund ist: »Wenn etwas mal nicht klappt, ist es nicht schlimm. Denn man hat ja einen tollen Plan B zu Hause in Form der eigenen Familie, die einen liebt und braucht. Also egal wo ich bin – ich werde gebraucht und bin da, um mein Bestes zu geben.«
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