Am Anfang war das Wort – doch es gibt immer wieder Zeiten, in denen wir uns nach Ruhe und Stille sehnen. Zu schweigen kann diese Sehnsucht in uns stillen. Und mit jedem Tag begegnen wir uns selbst dabei noch etwas intensiver. Ein Besuch im Schweigekloster.
Ganz ehrlich, ich rede gern und ich rede viel. Immer öfter sehne ich mich jedoch danach, einfach mal dem „Geplapper der Welt“ und damit auch meinem eigenen zu entfliehen. Doch damit fängt es schon an – ist es wirklich so einfach, gar nicht mehr zu sprechen? Wie lange hält man das aus? Hält man es überhaupt aus? Schweigen bedeutet ja den fast völligen Verzicht auf Kommunikation überhaupt, es bleiben nur ein paar stumme Gesten. Ich möchte es ausprobieren, entscheide mich für ein Kloster, in dem unterschiedliche Seminare stattfinden und in dem man sich auch als Einzelgast „zur Einkehr“ einmieten kann.
MEIN ERSTER TAG DES SCHWEIGENS
Die Mahlzeiten nehme ich also mit anderen im kleinen Speisesaal ein, ansonsten bin ich allein. Ich habe ein geräumiges Zimmer mit eigenem Bad, das weit von der gängigen Vorstellung einer kargen Klosterzelle entfernt ist. Ich bin glücklich hier zu sein, genieße die Ruhe und lege mich mit einem Buch ins Bett, am helllichten Nachmittag eines Montags. Nichts tun zu müssen, erscheint mir fast unwirklich, und ich spüre gar kein Verlangen zu reden. Beim Abendessen ist das schon anders. Ich habe mir ein „Ich schweige“-Schildchen gebastelt, damit meine Tischnachbarn Bescheid wissen, dass ich nicht spreche. Ich schweige also, während die anderen an meinem Tisch sich unterhalten. Da merke ich, wie gern ich jetzt doch etwas sagen, erzählen oder fragen würde. In dieser Situation fühle ich mich fast wie amputiert. Wir Menschen sind doch sehr soziale Wesen, die Erlebnisse und Erfahrungen mit anderen teilen möchten. Ich versuche mich also ganz aufs Essen zu konzentrieren, um wenigstens meinen Geschmackssinn auszukosten. Damit esse ich ganz von selbst langsamer und bleibe noch allein am Tisch zurück. Jetzt mache ich eine weitere interessante Entdeckung: Am Nachbartisch sitzt eine Gruppe von Leuten, die ebenfalls schweigt. Doch die eiserne Stille zwischen ihnen kann ich gar nicht genießen, im Gegenteil, sie ist für mich fast unerträglich. Ich spüre, dass es einen großen Unterschied zwischen meinem und dem beklommenen Schweigen gibt, das diese Menschen umgibt. Ich verlasse fast fluchtartig den Raum und bin froh, schließlich wieder allein auf meinem Zimmer zu sein.
TAG 2: STILLE IST NICHT GLEICH STILLE
Den zweiten Tag beginne ich mit einem langen Spaziergang. Die Natur war schon immer etwas, das mir Kraft gegeben hat, schon als Kind bin ich oft allein in den Wald gegangen. Auch jetzt genieße ich den Wind, die Herbstsonne, deren Strahlen noch immer wärmen, und das Zwitschern der Vögel. Das Schweigen beraubt mich zwar meiner Stimme, dafür habe ich andere Sinne, mit denen ich bewusster wahrnehme als sonst. Stille ist nicht gleich Stille. Sie hat zahlreiche Nuancen. Ich habe mir für diese Zeit des Schweigens vorgenommen, auf Radio, TV oder Computer zu verzichten. Ich empfände diese als ein zu leicht einsetzbares Ablenkungsmanöver, sollte ich von mir selbst genug bekommen. Schon bei Kindern kann man beobachten, dass sie erst anfangen kreativ zu werden, wenn sie gelangweilt sind. Ich möchte also wissen, was passiert, wenn ich in diesen Zustand komme, völlig auf mich zurückgeworfen zu sein.
DIE SUCHE NACH RUHE
Was mir wirklich schwerfällt, ist, das Gedankenkarussell in meinem Kopf anzuhalten. Es dreht sich unaufhörlich, sodass ich nur ganz selten einen klitzekleinen Augenblick lang ein Gefühl wirklicher Ruhe verspüre. Gerade ist so ein Moment. Ich habe das Gefühl, dass die Welt ganz weit weg ist. Zwischen zwei Gedanken spüre ich einen kurzen Moment des Nichts. Dafür bin ich wirklich dankbar, muss aber schon kurze Zeit später feststellen, dass ich statt zu denken damit anfange, Selbstgespräche zu führen. Immer häufiger ertappe ich mich dabei, mir im Geist meine Erlebnisse hier vorzutragen. Auch wenn ich anderen Menschen bei meinen ausgedehnten Spaziergängen begegne, kommt mir sofort eine Begrüßung über die Lippen, anstatt einfach nur freundlich zu nicken. Viele unserer Verhaltensweisen laufen eben automatisiert und weitgehend unbewusst ab. Ich merke, wie sehr unser Leben von eben dieser verbalen Kommunikation geprägt ist, wie viele Absprachen für unser Leben nötig sind und wie sie es ganz klar und konkret bestimmen. Wie schnell man auch verführt wird, mal eine winzige Ausnahme vom Schweigen zu machen. Ich bleibe jedoch eisern, schreibe, wenn es gar nicht anders geht, aber ich spreche nicht. Nach drei Tagen bin ich über den Berg. Ich habe mich an das Schweigen gewöhnt und bin ausgeglichener. Immer häufiger sitze ich jetzt einfach nur da. Ich fühle mich nicht mehr so getrieben. Reden kostet Kraft, das empfinde ich ganz deutlich, als ich nach fünf Tagen des Schweigens wieder sprechen darf und muss. Eine solche Zeit der Stille kann ich jedem nur ans Herz legen. Es ist fast ein bisschen wie Urlaub mit sich selbst. Man durchlebt dabei vielleicht Höhen und Tiefen, doch man spürt sie und sich auf alle Fälle ganz unmittelbar – und es ist spannend, wieder mal etwas mit sich passieren zu lassen.
WO MAN UNGESTÖRT SCHWEIGEN KANN
Klostergut Harpfetsham der Franziskanerinnen von Schönbrunn
Harpfetsham 1, 83349 Palling
Tel. +49 8629 988-30
www.franziskanerinnen-schoenbrunn.de
Benediktinerabtei St. Mauritius
Mauritiushof 1, 94557 Niederaltaich
Tel. +49 9901 208-0
www.abtei-niederaltaich.de
Benediktinerabtei Plankstetten
Klosterplatz 1, 92334 Berching
Tel. +49 8462 20-60
www.kloster-plankstetten.de
Gästehaus der Zisterzienserinnen
Abteistr. 1, 94136 Thyrnau
Tel. +49 8501 93909-0
www.kloster-thyrnau.de
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