Prävention und Gesundheitsförderung haben für die bayerische Staatsministerin Melanie Huml einen hohen Stellenwert. Der bayerische Präventionsplan, Präventionsmanager an den Bezirksregierungen oder die Initiative »Gesund.Leben.Bayern.« sind nur ein paar der vielen Meilensteine, mit denen gesundheitsfördernde Strukturen geschaffen werden. Anlässlich des 40-jährigen Firmenjubiläums des Passauer Wolf nahm sich die Staatsministerin Zeit für ein Interview.
Frau Huml, hat die Gesundheitsförderung den notwenigen Stellenwert im Gesundheitssystem? Und: Welchen Trend sehen Sie für die medizinische Rehabilitation in Bayern?
Melanie Huml: Den Themen Gesundheitsförderung und Prävention messe ich als Gesundheitsministerin und auch als Ärztin einen besonders hohen Stellenwert bei. Nicht ohne Stolz kann ich sagen, dass wir dazu in der letzten Legislaturperiode Meilensteine gesetzt haben. Mit unserem Bayerischen Präventionsplan liegt erstmals ein Rahmenkonzept für Gesundheitsförderung und Prävention im Freistaat vor, besiegelt mit weit mehr als 100 Partnern im Bündnis für Prävention – ein deutliches Zeichen für die breite gesellschaftliche Unterstützung. Von staatlicher Seite haben wir dauerhafte Strukturen geschaffen, um gesunde Lebensweisen und gesunde Lebenswelten zu stärken. Dazu gehören das Zentrum für Prävention und Gesundheitsförderung am Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, das landesweit eine fachlich führende Rolle einnimmt. Zudem gibt es an den sieben Bezirksregierungen Präventionsmanager, die die Aktivitäten in den Regionen koordinieren. Darüber hinaus bestehen bereits in 64 Landkreisen und kreisfreien Städten »Gesundheitsregionenplus«, durch die die Versorgungsstrukturen und Präventionskonzepte auf lokaler Ebene besser vernetzt werden sollen. Wegweisende Präventionsprojekte unterstützen wir durch unsere Initiative »Gesund.Leben.Bayern.«, für die wir jedes Jahr rund drei Millionen Euro bereitstellen. Diesen erfolgreichen Weg wollen wir weitergehen, aufbauend auf den Ergebnissen des ersten Präventionsberichtes für den Freistaat. Mein Ziel ist, Krankheiten zu verhindern, wo immer es möglich ist, Vorsorge und Früherkennung zu stärken und bei bereits eingeschränkter Gesundheit dazu beizutragen, dass sich der Zustand nicht weiter verschlechtert. Angebote der medizinischen Rehabilitation sind hier besonders wichtig. Gerade unsere bayerischen Kurorte und Heilbäder bieten eine Vielzahl an Möglichkeiten, die Gesundheit zu stärken. Unter der Dachmarke »Gesundes Bayern« entwickeln moderne medizinische Dienstleister Angebote für ein aktives persönliches Gesundheitsmanagement und setzen nachhaltige Impulse für die Gesundheit. Ich bin sicher, dass ihre Bedeutung in Zukunft weiter wachsen wird. Mit unserem Förderprogramm zur Steigerung der medizinischen Qualität in den bayerischen hochprädikatisierten Kurorten und Heilbädern sowie anerkannten Heilquellen- und Moorkurbetrieben unterstützen wir dies.
Wie können wir es schaffen, den Lebensstil unserer Gesellschaft positiv zu beeinflussen? Ist der digitale Weg die Zukunft?
Melanie Huml: Im Gesundheitsbereich müssen wir insbesondere die Prävention stärken, um den Lebensstil unserer Gesellschaft positiv zu beeinflussen. Und zwar nicht durch Vorschriften und neue Regeln, sondern durch eine Stärkung des Verantwortungsbewusstseins für die eigene Gesundheit und zugleich durch die Gestaltung gesunder Lebenswelten. Dabei soll jedem Einzelnen ein möglichst großer Entscheidungsspielraum gelassen werden. Die Digitalisierung ist ein Megatrend, ein Epochenwechsel, der bereits große Auswirkungen auf den Gesundheits- und Pflegebereich hat und noch haben wird. Hier entstehen viele digitale Chancen, die wir nutzen sollten. Die Digitalisierung ist jedoch kein Selbstzweck, es muss immer darum gehen, dass der Mensch im Mittelpunkt steht. Technologie kann nicht den direkten, zwischenmenschlichen Kontakt und Austausch zwischen Arzt und Patient oder Pflegebedürftigen und Pflegekraft ersetzen. Es geht also darum, die Digitalisierung in Gesundheit und Pflege menschlich zu gestalten und gleichzeitig Bedenken ernst zu nehmen. Besonders der Schutz von sensiblen Gesundheitsdaten ist hier zu nennen. Die Sicherheit in der digitalen Welt, der Schutz der Daten und die Berücksichtigung von ethischen Aspekten sind somit wichtige Leitlinien für die Digitalisierung des Gesundheitswesens. Das Bayerische Gesundheits- und Pflegeministerium setzt insbesondere auf die digitale Vernetzung von Gesundheitsdaten, innovative digitale Anwendungen mit einem konkreten Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger sowie digitale und technische Hilfsmittel für Patienten, Pflegebedürftige, Angehörige und weitere relevante Berufsgruppen.
Welche Unterstützung erhalten kleine und mittelständische Unternehmen in Bayern seitens der Politik, um die Arbeitswelt gesund zu gestalten und gesunde Verhältnisse im Betrieb zu schaffen?
Melanie Huml: Die betriebliche Gesundheitsförderung als Teil des betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) kann einen wertvollen Beitrag für die Gesundheit und das Wohlergehen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten. In Bayern gibt es bereits zahlreiche Betriebe und Unternehmen, die vorbildliche Programme etabliert haben. Für kleine und mittelständische Unternehmen kann die Umsetzung der betrieblichen Gesundheitsförderung jedoch auch eine Herausforderung darstellen. Deshalb ist es wichtig, dass wir gerade diese Unternehmen unterstützen. Als freiwillige Leistung ist die betriebliche Gesundheitsförderung mit einem Freibetrag von 500 Euro pro Mitarbeiter und Jahr steuerbegünstigt. Auch das Präventionsgesetz, das am 25.07.2015 in Kraft getreten ist, stärkt die Rahmenbedingungen. Neben der Erhöhung des Ausgaberichtwertes der Krankenkassen für Leistungen der Gesundheitsförderung, Prävention und Selbsthilfe sollen regionale Koordinierungsstellen der Krankenkassen für betriebliche Gesundheitsförderung die Unternehmen bei der betrieblichen Gesundheitsförderung unterstützen. Welche hohe Bedeutung die Staatsregierung diesem Thema zumisst, zeigt sich unter anderem darin, dass wir »Gesundheitskompetenz in der Arbeitswelt und betriebliche Präventionskultur« zu einem der vier zentralen Handlungsfelder des Bayerischen Präventionsplans gemacht haben. Im Rahmen der Initiative »Gesund.Leben.Bayern.« haben wir beispielsweise das Leuchtturmprojekt »FlexA« gefördert, in dem es um Flexibilisierung, Erreichbarkeit und Entgrenzung in der Arbeitswelt geht. Hier wurden unter Leitung des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in zehn Betrieben verschiedener Branchen Möglichkeiten zur gesunden Gestaltung flexibler Arbeitsbedingungen untersucht. Der Fokus lag dabei bewusst auf kleinen und mittleren Unternehmen. Die Empfehlungen der Experten wurden in einem Leitfaden zusammengefasst, der kostenfrei zur Verfügung steht. Dieses betriebliche Handlungskonzept zur Prävention psychischer Fehlbeanspruchungen in der modernen Arbeitswelt lege ich allen Unternehmen ans Herz. Das Bayerische Gesundheitsministerium unterstützt durch das Institut für Kurortmedizin und Gesundheitsförderung und das KuHeMo-Förderprogramm die heimischen Kurorte bei der Entwicklung moderner Angebote zum betrieblichen Gesundheitsmanagement. Hierbei wurden u. a. vier Modellprojekte (»PFLEGE-prevent«, »TANDEM«, »AGES II« (»Aktiv gegen Erschöpfung und Stress« und »Stark gegen Stress«)) entwickelt, die besonders geeignet sind, Unternehmen bei der Implementierung von BGM zu helfen.
»Mein Ziel ist, Krankheiten zu verhindern, wo immer es möglich ist, Vorsorge und Früherkennung zu stärken und bei bereits geschädigter Gesundheit dazu beizutragen, dass sich der Zustand nicht weiter verschlechtert.«
– Staatsministerin Melanie Huml
Das Zukunftsinstitut sieht Gesundheit als Megatrend, als »Synonym für ein gutes Leben« sogar. Sind wir in Bayern fit für die Zukunft?
Melanie Huml: Der Wunsch nach einem lebenslang gesunden und selbstbestimmten Leben als Synonym für ein gutes Leben betrifft alle Menschen in allen Altersstufen. Vor allem geht es darum, wie man möglichst lange gesund bleiben kann. Die Prävention ist daher essenzieller Teil einer menschlichen und modernen Gesundheitspolitik. Prävention hilft dem Einzelnen und hilft zudem, unser Gesundheitssystem bezahlbar zu halten. Dabei geht es auch um die Stärkung der Mitwirkung und Eigenverantwortlichkeit der Bürgerinnen und Bürger. Die Digitalisierung bietet Chancen, um länger gesund zu bleiben. Die digitalen Möglichkeiten reichen von Apps zur Förderung eines gesunden Lebenswandels bis hin zum Gewinn von neuen grundlegenden Erkenntnissen durch die P4-Medizin (prädiktiv, präventiv, personalisiert, partizipatorisch). Die intelligente Verknüpfung und Auswertung (Big-Data-Analyse) von großen Datenmengen aus unterschiedlichen Datenquellen zählt zu den erfolgversprechendsten Entwicklungen und lässt einen Quantensprung in der Prävention und Therapie von Krankheiten erwarten. Mein Ministerium fördert mit dem Projekt »DigiMed Bayern« ein deutschlandweit einzigartiges Leuchtturmprojekt zur Implementierung der P4-Medizin am Beispiel der Atherosklerose. Digitale Techniken können aber beispielsweise auch die Selbständigkeit pflegebedürftiger Menschen steigern und ihren Verbleib zuhause selbstbestimmt möglich machen, aber auch pflegende Angehörige und professionelle Pflegekräfte entlasten. Das Leuchtturmprojekt »Vorbildliches Pflegewohnumfeld für Pflegebedürftige: DeinHaus 4.0« will vor diesem Hintergrund intelligente Technik im Wohnumfeld erlebbar präsentieren. Insgesamt macht die Bayerische Staatsregierung mit der Strategie »BAYERN DIGITAL« den Freistaat zur Leitregion für Digitales. Zudem hat Bayern als erstes Bundesland ein eigenes Staatsministerium für Digitales eingerichtet. Das »Digitale Chancenland Bayern« wird fit gemacht für die Zukunft, gerade auch im Bereich Gesundheit und Pflege.
FUNDSTÜCKE
Wussten Sie’s?
- Jedes fünfte verordnete Arzneimittel-Rezept wird gar nicht eingelöst! Was ist los mit der Therapietreue? Oder brauchen wir wirklich nicht so viele Medikamente?
- Im Durchschnitt schaffen wir nur 1.000 Schritte am Tag — das sind etwa 650 Meter. Nehmen wir uns ein Beispiel am Postboten: Der bringt es auf bis zu 18.000 Schritte täglich. Die WHO empfiehlt uns 10.000 Schritte pro Tag zurückzulegen! Schuhe an und los geht’s
- Die Tagesgesamtleistung unserer Muskulatur beträgt in etwa drei Megajoule, was der Arbeit eines Krans entspricht, der einen Sechs-Tonnen-LKW samt Anhänger 50 Meter hochhebt.
- Die Knochen eines Menschen wiegen im Durchschnitt etwa zehn Kilogramm – die Haut hingegen bringt es schon mal auf bis zu 20 kg. Da schieben wir die paar Pfunde zu viel künftig doch lieber auf die »schwere Haut«, oder?
- Ein durchschnittlicher menschlicher Körper hat genug Fett, um 40 Marathons zu überstehen.
Bildnachweise: Passauer Wolf